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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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die Anschuldigungen und das Abstreiten. Zunächst erschien es ihr lediglich grotesk und unglaublich. Sie war so verdutzt, dass beide Seiten immer und immer wieder um eines kreisten – um Corinn selbst. Als es offen ausgesprochen wurde, stockte ihr der Atem. Die Ahnen fragten Hanish, ob er sie töten werde. Ob er das Blut der Akaran-Hure vergießen werde, wenn es dazu kam und wenn es notwendig sei?
    Hanish zögerte nicht mit seiner Antwort. Sie bedeutet mir nichts , sagte er. Ich behalte sie nur in meiner Nähe, damit ihr nichts geschieht und sie für euch da ist.
    Sie glaubten ihm nicht. Sie wiederholten die Frage. Diesmal antwortete er direkt, so deutlich, dass Corinn keine Mühe hatte, ihn zu verstehen. So deutlich, dass die Worte danach endlos in ihrem Kopf widerhallen würden.
    In dem Augenblick, da ihr sie tot zu sehen wünscht, Ahnen, sagte Hanish, werde ich sie ohne Bedauern töten ...

54

    Der Zettel lag neben ihm auf der Pritsche. Eine Ecke war noch warm, denn Melios Unterarm hatte darauf gelegen. Unmöglich zu glauben, dass jemand es dort hingelegt hatte. Er hatte keine Ahnung, wie das Stück Papier dorthin gelangt war. Er hatte einen leichten Schlaf und wachte schon auf, wenn er jemanden atmen hörte. Bei der Marah-Ausbildung hatte er gelernt, auch dann wachsam zu sein, wenn er im Reich der Träume wandelte. Doch der Zettel war nicht zu leugnen. Ein quadratisches Blatt Papier, das ihm jemand mit ruhiger Hand untergeschoben haben musste. Normalerweise hätte er den Zettel gleich gelesen, doch er fürchtete, dass sein geheimnisvolles Auftauchen schlechte Nachrichten ankündigte. Als er Menas Marah-Schwert an der Wand lehnen sah, nahm seine Besorgnis zu.
    Er musterte die Nachricht und die Waffe und lauschte auf die Geräusche der erwachenden Welt, die durch die offenen Fenster hereindrangen, auf das Wassergetröpfel nach dem heftigen Regen. Seit Mena vor einer Woche verschwunden war, hielt er sich auf dem Tempelgelände auf. Die ängstlichen und abergläubischen Tempeldiener duldeten ihn. Seine Anwesenheit bedeutete für sie sogar einen Trost. Im Laufe der Zeit waren sie abhängiger von ihm geworden, als jeder gedacht hätte. Sie hatten so lange Befehle von Mena entgegengenommen, dass sie hilflos waren, wenn ihnen niemand Anweisungen gab. Sie brauchten die Zielstrebigkeit, die er an den Tag legte, als er eine Suche organisiert hatte. Melio wusste, dass sie selbst zu dieser frühen Stunde in Rufweite waren. Beinahe hätte er sie gerufen, sich erkundigt, ob sie wüssten, wie die Nachricht hierhergekommen sei, und sie gebeten, ihm Gesellschaft zu leisten, wenn er sie las.
    Schließlich entfaltete er das Papier und las es allein. Sobald er die Worte verdaut hatte, schoss er von der Pritsche hoch. Er rannte von Gebäude zu Gebäude, von Raum zu Raum und rief Menas Namen. Seine Stimme klang mal laut, dann wieder erstickt, abwechselnd verzweifelt und beherrscht. Die Tempeldiener folgten ihm. Sie ahnten den Grund für seine Erregung und durchkämmten sämtliche Winkel.
    Bald darauf war klar, dass Mena sich nicht auf dem Tempelgelände aufhielt. Keiner der Diener hatte sie gehört oder gesehen, und sie waren zutiefst verstört über den Beweis in Melios Händen, dass sie dagewesen war. Den Inhalt der Nachricht behielt Melio für sich. Er zerknüllte den Brief in der Faust und setzte sich auf den nassen Boden. Zum Schrecken der Tempeldiener presste er die Fäuste an die Augen und brach in Tränen aus. Er wusste, dass es nicht recht war, ihnen den Grund für seine Tränen vorzuenthalten. Sie würden seinen Gefühlsausbruch nur auf die für sie allerschlimmste Weise deuten, doch er konnte nicht anders.
    Sein Zusammenbruch war nur von kurzer Dauer. Der Mann, der frühmorgens immer zum Markt ging, kam zurück, erschüttert von etwas, das er vor dem Tempel gesehen hatte. Als Melio in das Gesicht des Mannes sah, das aschfahl war, raffte er sich wieder zum Handeln auf.
    Als er mit den Tempeldienern am Haupteingang des Maeben-Heiligtums anlangte, hatte sich dort bereits eine kleine Menschenmenge versammelt, die zusehends anschwoll. Die Tore waren geschlossen, doch die Menschen suchten keinen Zugang zu den heiligen Gefilden. Schweigend und mit hängenden Schultern standen sie da. Einige hatten die Hände vor den Mund geschlagen, andere waren auf die Knie gefallen, und einer hatte zeigend den Arm erhoben, als bezweifele er, dass die anderen dasselbe sehen könnten wie er – den Kadaver eines großen Seeadlers.
    Das Seil, das

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