Acacia 01 - Macht und Verrat
die Erinnerung an die vor kurzem genossene Leidenschaft vor dem Raum voller Generäle zu verbergen. Allmählich konnte sie verstehen, was er sagte.
»... weiter sollte er nicht kommen. Wenn wir ihn stellen, muss das fern von hier geschehen.« Er beugte sich über die auf dem Tisch ausgebreitete Landkarte und legte den Finger darauf. »Wir müssen die Auseinandersetzung auf Talay beschränken. Ihr werdet die Aufstellung der Truppen vornehmen. Das sollte bis zu Maeanders Rückkehr abgeschlossen sein. Wenn er hier eintrifft, werde ich...« Hanish stockte, hob den Kopf und bemerkte Corinn. Er besann sich kurz, dann kam er um den Tisch herum auf die Tür zu. Er ging langsam und fuhr mit seinen Ausführungen fort. »Maeander wird nach seiner Rückkehr die Operation leiten. Ihr werdet ihm unmittelbar Bericht erstatten.«
»Wirst du dich uns anschließen?«, fragte einer der Männer.
Hanish hatte den Tisch umrundet und entfernte sich von ihm. Die Generäle folgten ihm mit den Blicken. »Das sehe ich nicht«, antwortete Hanish. »Maeander kann das regeln. Ich muss die Tunishni in Empfang nehmen.«
Er hatte die Tür erreicht. Als er die Hand auf den Griff legte, wich Corinn einen Schritt auf den Gang zurück. Lächelnd legte sie den Kopf schief, um ihm spielerisch anzuzeigen, dass sie es bedaure, ihn gestört zu haben. Er sah ihr in die Augen und schlug ihr dann wortlos die Tür vor der Nase zu.
Corinn stand erschüttert da und hörte seine Stimme auf der anderen Seite der Tür. Sie konnte keine einzelnen Worte mehr verstehen, doch er setzte seinen Vortrag ungerührt fort. Es kostete sie erhebliche Mühe, vor den Augen des Wachpostens kehrtzumachen und sich einigermaßen würdevoll zu entfernen.
Eine Stunde später begegnete sie auf einem der oberen Höfe Rhrenna. Die Mein-Frau kam auf sie zu, ohne sie zu bemerken, denn sie trug zum Schutz vor der Sonne einen Hut mit breiter, herabhängender Krempe. Corinn fand, dass der Hut ihr nicht besonders stand. Ihr unvollkommenes Gesicht und das von hellen Strähnen durchzogene blonde Haar wären wahrscheinlich reizvoller gewesen, wenn ihre Haut etwas Farbe gehabt hätte, doch das entsprach nicht dem Schönheitsideal der Mein. Corinn hegte zwar den Verdacht, dass nur wenige Mein ihr eigenes Schönheitsideal dem anderer Völker vorzogen, doch das war nicht das, worüber sie mit Rhrenna sprechen wollte.
Die junge Frau wollte zunächst weitergehen, doch Corinn überredete sie, sich mit ihr auf eine Bank zu setzen. Sie waren im Freien und für jedermann zu sehen, konnten aber nicht belauscht werden. Die Bank stand an einer steinernen Balustrade, vor der die Mauer hundert Fuß zur nächsttieferen Terrasse abfiel. Rhrenna wandte der Aussicht den Rücken zu und behielt lieber den Hof im Blick. Es war ihr deutlich anzumerken, dass sie nicht mit der Prinzessin gesehen werden wollte.
Corinn kam sogleich zur Sache. »Was geht hier vor?«, fragte sie. »Es liegt etwas in der Luft. Wisst Ihr, was los ist?«
Rhrennas blaue Augen schauten überall hin, nur nicht auf Corinn. »Wisst Ihr das nicht?«
»Nein.«
»Hanish hat Euch nichts gesagt?«
»Nein.«
Rhrenna überlegte kurz. Ihre Stimme wurde nicht sanfter. »Weshalb sollte ich es Euch dann sagen?«
»Weil ich Euch gefragt habe.« Als Rhrenna darauf nicht antwortete, sagte Corinn: »Hanish erzählt mir nicht alles. Er hat viele Geheimnisse vor mir.« Es fiel ihr nicht leicht, das zuzugeben. Sie war sich nicht einmal sicher, ob es stimmte, doch sie wollte Rhrenna damit nachsichtiger stimmen. Das war es doch, was alle wollten, oder nicht? Sie wollten die Gewissheit haben, dass Corinn nicht das volle Vertrauen ihres geliebten Häuptlings besaß. Am liebsten hätte sie Rhrenna geohrfeigt, sie angespuckt und aus vollem Halse verkündet, dass Hanish sie über alles liebe, mehr als er je eines dieser blassen, ziegengesichtigen Mein-Mädchen geliebt habe. Doch das hätte sie nicht weitergebracht.
»Ich weiß, wie man bei Hofe von mir denkt«, sagte sie bedrückt. »Ich weiß, dass ihr mich alle hasst, weil ihr glaubt, Hanish würde mich bevorzugen. Aber ehrlich gesagt, ich weiß gar nicht genau, wie es zwischen uns steht. Er empfindet nicht dasselbe für mich wie ich für ihn. Bitte, Rhrenna, sagt mir, was Ihr wisst. Wir waren doch einmal Freundinnen, oder nicht?«
Etwas in Rhrenna gab nach. Es geschah in ihrem Inneren und breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Aber wenn Hanish nicht will, dass Ihr Bescheid wisst...«
»Rhrenna, Ihr wisst
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