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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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gebracht, die Verwandlung in ein wahres Herrscherreich jedoch hatte es noch vor sich. Bislang waren die Mein in vielerlei Hinsicht Besatzer, die sich mit den Errungenschaften der Besiegten schmückten. Mit Hilfe seiner befreiten Ahnen würde er das hoffentlich bald ändern.
    Frische Pferde warteten auf ihn und seine Punisari-Leibwächter. Sie saßen auf und ritten von der Stadt fort, ohne innezuhalten und die Magistrate zu beachten, die zu ihrer Begrüßung erschienen waren. Zwei Tage lang ritten sie über das Ackerland, das einen Großteil der Lebensmittel des Reiches lieferte. Nachts lagerten sie im Freien und errichteten nicht einmal Zelte, denn es war warmer Sommer, und der Himmel war blau und wolkenlos. Am dritten und vierten Tag ritten sie durch wogendes Grasland, vorbei an Schaf- und Kuhherden, die von jungen Männern und Frauen gehütet wurden, die die Mein anglotzten, als wären diese verkleidete Wölfe.
    Hanish staunte noch immer über die gewaltigen Reichtümer, über die er nun gebot. Dies alles gehörte jetzt ihm, rief er sich ins Gedächtnis. Ihm und seinem Volk. Die Welt gehörte denen, die kühn genug waren, sie sich zu nehmen, und wer wäre je kühner gewesen als er?
    Als sie an diesem Abend am Rande des eilavanischen Waldes lagerten, dachte Hanish lange über diese Frage nach. Er überlegte, welcher Mein-Krieger der Vergangenheit ihm gleichkäme. Früher hatte er ihnen allen Ehrfurcht entgegengebracht, doch nun, da er sie einen nach dem anderen vor seinem geistigen Auge heraufbeschwor, fand er an jedem den einen oder anderen Makel. Allein Hauchmein schien ein Mann von unbestreitbarer Größe zu sein. Die Zeiten waren so turbulent gewesen, dass Hauchmein im Krieg zur Welt gekommen war und sein ganzes Leben im Zentrum eines Wirbelsturms verbracht hatte. Er war sicherlich ein großer Kämpfer gewesen und ein begnadeter Anführer, der schwere Prüfungen hatte bestehen müssen. Wer außer ihm hätte die geschlagenen Mein anführen sollen, als sie, elend und besiegt, in ein eisiges Exil gezogen waren, das sie hatte vernichten sollen? Hauchmein hatte ihr Überleben sichergestellt, doch alles in allem war seine Geschichte eine Geschichte der Niederlage. Was sollte er Hauchmein sagen, wenn er ihm ins Gesicht blicken würde? Sollte er sich vor einem solchen Vorfahren verneigen? Oder sollte dieser vor ihm das Knie beugen?
    Hanish wusste, was sie von ihm erwarten würden: dass er demütig und dankbar das Haupt vor ihnen senkte. Seit jeher hatten sie ihm zugeflüstert, dass er ohne sie nichts sei. Er sei lediglich das Ergebnis ihrer Mühen. All seine Erfolge seien der Gemeinschaft geschuldet. Gegenüber der Kraft, die sie gemeinsam verkörperten, zähle ein Einzelner nicht. Diese Überzeugung war ihm ein Leben lang ein verlässlicher Begleiter gewesen. Warum schien sich sein Verstand dann jetzt, da er dem Ziel so nahe war, gegen alte Gewissheiten aufzulehnen?
    Es beunruhigte ihn, dass es die acacischen Helden waren, denen er den größten Respekt entgegenbrachte. Edifus war ihm vielleicht ebenbürtig gewesen. Tinhadin ganz bestimmt. Hätte er gegen sie Krieg geführt, wäre der Ausgang ungewiss gewesen. Edifus hatte verbissen gekämpft, ohne nachzulassen, hatte sich mit jedem angelegt, der gegen ihn gewesen war. Er war kein Mann der List und Tücke gewesen und hatte bei jeder größeren Schlacht in vorderster Reihe gestanden. Tinhadin hingegen war voller Verrat und Hinterlist gewesen, ein Muster an mörderischer Doppelzüngigkeit, ein Mann, der bereit gewesen war, sich dem Grauen einer so gewaltigen Vision zu stellen, wie nur wenige sie überhaupt hätten ersinnen können. Hanish ging auf, dass er von den Begründern Acacias gelernt hatte. In gewisser Weise verehrte er sie, obwohl sie die größten Feinde seines Volkes gewesen waren. Mit dem tröstlichen – und zugleich enttäuschenden – Gedanken, dass es heute keine solchen Männer mehr gab, schlief er ein.
    Als er später die Augen aufschlug, erblickte er die hell an den Nachthimmel hingespritzten Sterne. Alle seine Sinne waren angespannt. Acht Leibwächter hatten sich um das Lager verteilt und hielten Wache, die anderen lagen schlafend am Boden. In der Nähe standen die Pferde. Alles war ruhig, genauso friedlich wie beim Einschlafen; die Luft war erfüllt vom Zirpen der Grillen. Der Grund für sein jähes Erwachen war nicht in dem zu suchen, was um ihn herum geschah. Er hatte von einer acacischen Frau geträumt, einer Frau, die genauso aussah wie Corinn.

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