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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Schädel.
    Aliver bückte sich, hob einen orangefarbenen Stofffetzen vom Boden auf. Er hielt ihn mit einer Hand, schüttelte ihn, bis er sich entfaltete, und drehte ihn so, dass die Sonne auf das unbefleckte Orangerot fiel. Dann sagte er noch etwas zu dem Antok und legte sich den Stofffetzen auf die Brust.
    Das war eine Einladung, die das abscheuliche Ungeheuer verstand. Brüllend stürmte es los. Es humpelte zwar, wirkte aber so angriffslustig wie eh und je. Aliver wartete, bis es nur noch wenige Schritte entfernt war, dann schleuderte er den Fetzen in die Luft. Das Antok reckte den Kopf in die Höhe, um ihm zu folgen, die Kiefern geöffnet, den Körper hoch aufgerichtet. Aliver tauchte geduckt unter das Tier. Er rammte der Bestie die Klinge in den Leib und schlitzte ihn vom Brustkorb bis zum Bauch auf. Als sich ein Schwall von Eingeweiden aus der Öffnung ergoss und das Antok zusammenbrach, hatte er sich bereits wieder in Sicherheit gebracht.

63

    Es war nicht sonderlich schwierig gewesen, in den Palast zu gelangen, wenngleich – ähnlich wie bei dem Hinweis auf Das Lied von Elenet - eine beiläufige Bemerkung Dariels Thaddeus dabei geholfen hatte. Eines Abends, kurz nachdem er in Talay zu Aliver gestoßen war, hatte der junge Prinz erzählt, wie er Val begegnet war, dem Seeräuber, der später zu seinem Ersatzvater geworden war. Dabei hatte er auch geschildert, was ihm von den Gefilden unter dem Palast in Erinnerung geblieben war. Vieles davon blieb vage. Wenn er doch einmal Einzelheiten beschrieb, so hatte es sich angehört, als seien diese verzerrt von kindlichen Phantasien, voller exzentrischer Charaktere, die in einem Labyrinth aus zahllosen Gängen hausten. Und diese Tunnel schienen sich seinen Erzählungen nach meilenweit dahinzuwinden, ohne dass die Palastbewohner über ihnen etwas davon ahnten.
    Das Erlebnis, wie er beinahe ertrunken wäre, hatte er jedoch sowohl glaubhaft als auch genau geschildert. Dieser Erinnerung hatte die Zeit nichts anhaben können. An der Nordküste der Insel, nahe dem Vada-Tempel, gebe es dicht über der Wasseroberfläche eine Plattform, hatte er gemeint. Die habe man vor langer Zeit aus dem Fels gehauen. Unmittelbar darüber liege der Eingang, der vom Meer aus wahrscheinlich schwer zu erkennen sei. Der Gang, in den man von dort aus käme, führe durch verborgene Regionen aufwärts, bis in den Palast und sogar bis in die Kinderzimmer.
    Thaddeus prägte sich die Beschreibung des Eingangs genau ein. Nach seinem heimlichen Aufbruch aus Alivers Lager war der alte Mann ein paar Tage nach Norden marschiert. Dann hatte er sich nach Westen gewandt, um Maeanders Armee aus dem Weg zu gehen. In einem Hafenstädtchen erstand er das kleinste Boot, das er noch für seetüchtig hielt, und bereits am selben Tag segelte er bei Sonnenuntergang los. Der Wind war ihm während des größten Teils seiner nächtlichen Reise gewogen, und als der Morgen dämmerte, schaukelte er in der Nähe des Tempels auf den Wellen, unmittelbar vor der felsigen Nordküste Acacias.
    Während es hell wurde, suchte er so lange, wie er es wagte. Schließlich nahm er Kurs auf die Küste. Da er nicht zulassen konnte, dass das Boot entdeckt wurde, setzte er das Segel, richtete den Bug aufs offene Meer, sprang ins Wasser und sah zu, wie es in der Brise davontrieb. Dann schwamm er zu den Uferfelsen und kletterte mühsam zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder auf acacischen Boden.
    Er brauchte länger, als ihm lieb war, um den Eingang zu finden. Als es so weit war, war er schweißgebadet, atmete schwer und fürchtete schon, mitten in eine weitere gewaltige Torheit hineingetappt zu sein. Als er den Spalt im Fels endlich entdeckte, dankte er dem Schöpfer überschwänglich. Dann schlüpfte er aus dem hellen Licht in eine Umgebung, die tatsächlich genauso unheimlich und einsam war, wie Dariel sie beschrieben hatte.
    Obwohl sich das ganze gewagte Unternehmen auf diese Hoffnung gestützt hatte, staunte er, wie leicht es war, in den Palast zu gelangen. So unvermittelt schlich er durch dessen Gänge, dass er eigentlich gar nicht darauf vorbereitet war. Es war schwer, nicht in die Mitte der vertrauten Korridore zu treten und sie entlangzuschreiten, als gehöre er noch immer hierher. Er riss sich zusammen; er musste vorsichtig sein, besonders jetzt. Deshalb zog er sich zurück und hielt sich den ganzen Tag über in den Schatten. Nicht immer konnte er die verlassenen Gänge von jenen unterscheiden, die noch immer vom Gesinde benutzt

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