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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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können. Blinzelnd betrachtete es seinen Körper von oben bis unten.
    Aliver erwiderte den Blick des Auges. Bestimmt spürte er den Atem des Tieres auf seinem Gesicht. Bei jedem Atemzug sprühte ihm Feuchtigkeit entgegen – Schweiß, Blut und Gestank. Seine versteinerte Miene ließ keine Regung erkennen. Sein Gesicht war wie in Stein gemeißelt. Wieder bewegten sich seine Lippen. Was immer er auch sagte, auf den Gesichtern der sie umringenden Talayen war eine Reaktion zu erkennen. Wie ein Mann blickten sie nach oben.
    Was macht er da?, dachte Mena. Worauf sollten sie achten? Er wusste irgendetwas. Wie könnte er sonst so ruhig aussehen? So beherrscht, als gehöre die Bestie bereits ihm? So sehr es sie danach verlangte, sich von Maebens Wut durch die Luft katapultieren zu lassen, spürte sie doch auch einen Klumpen in ihrem Innern, in dem die Liebe zu ihrem Bruder wohnte. Der Stolz und das Vertrauen, das sie in ihn setzte, waren so groß, dass es in diesem Moment fast schon an Heldenverehrung grenzte. Was immer er vorhatte, sie wusste, er könnte es schaffen. Er könnte, nur dass es da etwas gab, was er ihr zu sagen versuchte, etwas, das sie nicht verstand. Sie schaute noch genauer hin, um zu enträtseln, was es war.
    Aliver hielt des Königs Vertrauten in der Rechten und den Dolch in der Linken. Er schickte sich tatsächlich an, das Antok anzugreifen, dachte Mena. Und wenn er vorhatte, es anzugreifen, musste er eine Schwachstelle entdeckt haben. Sie sah ihm ins Gesicht und bemühte sich zu erkennen, worauf seine Augen auf der anderen Seite des Antoks gerichtet waren. Dann suchte sie die gleiche Stelle auf der ihr zugewandten Seite des Tieres. Und dann sah sie es.
    Zwischen den Panzerplatten im Schulterbereich des Tieres war eine Stelle, die sich rhythmisch hob und senkte. Sie pulsierte. Pochte. Pochte. Sie wölbte sich auf eine Art und Weise vor, die nur bedeuten konnte, dass unter der dicken Haut eine Schlagader liegen musste. Hätte das Antok nicht still verharrt, wäre es Mena niemals aufgefallen. Ohne das Tier aus den Augen zu lassen, neigte sie sich dem neben ihr stehenden Bethuni entgegen und flüsterte ihm ins Ohr. Dann sah er es ebenfalls.
    »Sagt den anderen, sie sollen aufpassen, was mein Bruder tut, und seinem Beispiel folgen.«
    Kurz darauf sah sie Leeka Alains Kopf aus der Menge auftauchen. Er betrachtete das Antok ausführlich, dann sah er Mena an, nickte und verschwand wieder in der Masse. Geflüster wanderte von Mund zu Mund.
    Sie wusste nicht genau, wie viel Zeit zwischen diesem Moment und dem, was als Nächstes geschah, verging. Es schienen nur Sekunden zu sein. Das Tier verlor das Interesse an dem Prinzen und machte Anstalten, sich abzuwenden. Mena sah, wie Aliver auf das Antok zustürzte. Er machte zwei Schritte, sprang hoch, rammte den Dolch bis zum Heft ins Fleisch des Vorderbeins und benutzte ihn als Handgriff, um sich daran emporzuschwingen. Die nächste Bewegung war beinahe anmutig. Mit gestrecktem Arm auf den Dolch gestützt, zielte er mit der Schwertspitze auf die Schlagader und trieb die Klinge zur Hälfte hinein. Dann ließ er den Dolch los, packte die stumpfe Schwertklinge und riss sie nach unten. Dabei setzte er sein ganzes Körpergewicht ein. Die Klinge durchtrennte das Fleisch und die Ader.
    Das Antok fuhr zu der Wunde herum, doch Aliver stieß sich mit den Beinen von ihm ab und zog dabei das Schwert aus der Wunde. Er landete ein Stück entfernt auf den Füßen, außer Reichweite des Blutregens. Der pulsierende Schwall ging auf die umstehenden Soldaten nieder. Mit den Händen schützten sie die Augen vor dem schwärzlichen Lebenssaft, der so dick wie Öl war. Das Tier drehte sich wie rasend im Kreis, anscheinend auf der Suche nach dem Ursprung des Blutschwalls.
    Aliver stand abseits der anderen, allein und dem Untier am nächsten, sein erhobenes Schwert malte Kreise in die Luft. Des Königs Vertrauter wirkte so leicht in seinen Händen, so zierlich, dass die Klinge bisweilen nahezu unsichtbar wurde. Aliver sprach leise, Worte, die Mena nicht verstand, und wartete darauf, dass das Tier sich an ihn erinnerte. Schließlich hörte das Antok auf, sich im Kreis zu drehen, und wandte sich ihm zu. Es duckte sich, glotzte ihn schwankend an und blinzelte in rascher Folge, als versuchte es, einen klaren Kopf zu bekommen. Die Wunde machte sich bemerkbar – als mangelnde Blutzufuhr zum Gehirn. Es blinzelte in einem fort; offenbar hatte es Mühe, scharf zu sehen. Schnaubend schüttelte es den

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