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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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nicht auf Menschen, die sie hätten zerschmettern können, während sie Gassen hinunterrannten, die sich zwischen zurückweichenden Kriegern auftaten. Ohne das geringste Interesse stürmten sie an ungeschützten Körpern vorbei. Nur Farben zählten für sie.
    Eines der Tiere riss Leichen vom Boden hoch und schleuderte sie in die Luft. Ein anderes stürzte sich auf einen Haufen weggeworfener Kleidungsstücke und zerfetzte sie. Es erzeugte einen bunten Wirbelsturm, in dessen Mitte es fauchend umherstampfte. Und dann hielt es plötzlich inne. Kleidungsfetzen regneten auf seine Flanken, seinen Rücken herab, fielen ihm auf Kopf, Schnauze und Nüstern. Schnaufend, witternd und grunzend schaute es sich um. Mena konnte sehen, dass es verwirrt war. Es war das Leittier, und es brüllte nach den anderen Antoks. Deren Antwort klang ebenso verunsichert. Doch sie rückten nicht näher zusammen. Jede der Kreaturen war von einer braunhäutigen Menschenmasse umschlossen, von einer lebendigen Mauer, deren Verletzbarkeit ihnen anscheinend nicht bewusst war.
    Als das Gebrüll verstummt war, merkte Mena auf einmal, wie still es geworden war. Tausende Soldaten umstanden die Tiere, doch niemand sprach. Niemand rief Befehle. Keine Hörner ertönten. Ein Hintergrundgeräusch des Leids lag in der Luft, gedämpftes Schluchzen und gelegentliche Schmerzensschreie der Verletzten, doch es war so still, dass Mena die Schritte und das Atmen der Antoks deutlich vernehmen konnte. Sie hörte sogar die Gelenke des Tieres knarren, das ihr am nächsten war und langsam an dem Menschenwall entlangschritt. Im Vergleich zu der riesigen Bestie wirkten die Menschen wie Kinder. Hätte es die Beine gestreckt, so hätte es über sie hinwegsteigen können, ohne sie mit dem Bauch zu streifen.
    Während sie die Szenerie beobachtete, bemerkte Mena Aliver. Er stand nicht weit von ihr entfernt auf der anderen Seite der Gasse, welche die Soldaten für die Tiere geöffnet hatten. Von dem Antok mit den steifen Gelenken war er nur wenige Schritte entfernt. Der Prinz war den Talayen in Körperbau und Haltung so ähnlich, dass sie ihn bis jetzt übersehen haben musste. Er stand in der vordersten Reihe, Schulter an Schulter mit den Talayen. Seine Hautfarbe war eine Schattierung heller als die seiner Nachbarn, doch sie konnte nicht leugnen, dass auch er braun war. Und sie konnte auch nicht so tun, als wäre er nicht in Gefahr.
    Die Bestie war nur ein paar Schritte von ihm entfernt. Ihr Blick richtete sich auf einen Mann, dann auf noch einen und noch einen, während sie die Reihe entlangkam, sich Aliver immer mehr näherte, und nach einem Anlass suchte zu töten. Ihre Hauer waren wie die blanken Klingen von Krummschwertern. Mena legte die Hand auf ihren Schwertknauf und fühlte, wie ihr Puls in ihrem Griff um das Leder hämmerte. Sie beobachtete, wie das Antok ihrem Bruder immer näher kam. Sie wollte aus der Menge ausbrechen und zu ihm stürzen. Jeder Muskel, jede Faser in ihr schrie danach, die Entfernung zwischen ihnen mit einem Satz zu überwinden, während ihr Schwert vor ihr die Luft zerschnitt. Sie war nahe genug, wenn sie von den Schultern des Kriegers vor ihr spränge, würde sie in der Gasse landen, blank ziehen und …
    Aliver sah sie an. Sein Kopf regte sich nicht. Sein Körper veränderte seine Haltung nicht. Doch seine Augen bewegten sich und trafen auf die ihren. Er blickte sie bohrend an, voller Bedeutung, sagte ihr etwas. Doch sie wusste nicht, was. Ganz leicht schüttelte sie den Kopf. Er verdrehte die Augen zu dem Antok hin, starrte es einen Moment lang an, dann sah er wieder zu Mena hinüber. Dies wiederholte er dreimal. Mehr Zeit blieb ihm nicht.
    Das Antok unterbrach den Augenkontakt zwischen ihnen, als es sich an Aliver vorbeischob. Menas Blick wanderte über die Panzerplatten und die borstige, trockene, faltige Haut. Als sie wieder freie Sicht auf ihren Bruder hatte, starrte dieser das Tier wie gebannt an. An der Bewegung seines Körpers konnte Mena erkennen, dass er einen Laut von sich gab. Sie konnte es nicht hören, doch er bog den Hals, und sein Mund bildete ein Oval, als hätte er scharf ausgeatmet. Das Riesenschwein schwenkte den mächtigen Kopf herum, sodass die umstehenden Soldaten sich unwillkürlich dichter zusammendrängten. Dann machte es kehrt. Es näherte sich wieder dem Prinzen, der es verhöhnt hatte, und musterte ihn mit einem hervorquellenden, rot geäderten Auge, wobei es Alivers Gesicht so nahe kam, dass es daran hätte lecken

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