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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Treibholz in den Fluten. Er wusste nicht, wie es weitergehen würde, und kam sich vor wie ein Schiffsjunge, der sich verzweifelt an die Planke eines gesunkenen Schiffes klammert, den Launen von Strömungen ausgeliefert, über die er keine Macht hatte.

19

    Von all den Dingen, die Thaddeus zusetzten, als er am Krankenlager seines alten Freundes, des Königs, stand, war es die Art und Weise, wie sein Gesicht eingefallen war, die ihn mit dem tiefsten Bedauern erfüllte. Es zeigte Leodan als das, was er war, ein gealterter Mann, des Lebens so müde geworden, dass die Muskeln seines Antlitzes kaum mehr die Kraft hatten, sich anzuspannen, zu zittern oder Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Seine Hautfarbe als aschfahl zu bezeichnen wäre der Wahrheit nur nahegekommen; sein Gesicht war in der Tat weiß wie Puder, doch Farbe und Leben waren auch aus dem Gewebe tief unter der wächsernen Haut gewichen. Kurz kam Thaddeus der Gedanke, dass Edifus auf dem Totenbett ganz ähnlich ausgesehen haben könnte. Und dieser Tod – wie der des Ersten Königs, Generationen zuvor – könnte durchaus ebenfalls eine Verschiebung der Weltordnung markieren.
    Er konnte kaum an sich halten, um nicht auf die Knie zu fallen und seinen Kummer hinauszuschreien, alles zu gestehen oder alles abzustreiten. Beide Regungen hatten ihre Berechtigung. In gewisser Weise war dies alles sein Werk. Er hatte der Nachricht Glauben geschenkt, die Hanish Mein ihm gesandt hatte. Von dem Augenblick an, da er es vernommen hatte, war ihm klar gewesen, dass Gridulan der Verbrechen schuldig war, die Hanish benannte. Und er hatte gehasst, hatte den Sohn um der Sünden des Vaters willen gehasst. Er wollte ihn bestrafen, wollte, dass die Akaran litten, dass im Lande Chaos ausbrach. Wenn er den König in der Nebeltrance beobachtete, hatte er sich des Öfteren vorgestellt, die Hände um seinen Hals zu legen und das Leben langsam aus ihm herauszupressen. Das wäre leicht zu bewerkstelligen gewesen, doch er hatte niemals mehr getan, als es sich auszumalen. Stattdessen hatte er die bedauernswerte Botin getötet. Das war nicht geplant gewesen. Er wusste nicht genau, warum er es getan hatte. Es war ein vager Gedanke gewesen, der ihm in jener Nacht gekommen war. Die Soldatin hatte von Gefahren berichtet, die den Akaran drohten. Thaddeus wollte, dass diese Gefahren lebten und atmeten, und deshalb musste die Frau sterben. Es war feige von ihm gewesen, doch in gewisser Weise hatte er sich gewünscht, dass Hanish Mein den König bestrafen werde, wie er selbst es nicht vermochte. Warum also fühlte er sich jetzt, da Hanish sein Ziel erreicht hatte, nur so elend?
    Während er sich emsig den unzähligen Aufgaben widmete, die in der gegenwärtigen Lage von einem getreuen Kanzler erwartet wurden, sah er immer wieder Leodans vor Schreck gelähmtes Gesicht vor sich, den Fleck auf seinem Festgewand, die Finger einer seiner Hände, die sich um die Schulter des sprachlosen aushenischen Prinzen krallten. Auch die kühne Aufrichtigkeit des Attentäters ging ihm nach, der freimütig seinen Namen genannt hatte. Thaddeus hatte die Mein-Worte gehört, die der Mann hervorgestoßen hatte und deren Sinn sich ihm sogleich erschloss. Er hatte zugesehen, wie er einen blutenden Schnitt über seinen eigenen Hals zog. In seinem Gesicht hatte sich eine solche Gewissheit widergespiegelt; keinen Augenblick des Zweifelns oder des Zögerns, keine Angst vor der gähnenden Endgültigkeit seines Tuns. Thasren hatte sich im Saal umgeblickt, als wäre er der leibhaftige Prophet eines unbekannten Gottes; überall um ihn herum waren die Unwissenden, die Verdammten.
    Ein Laut kam aus dem Mund des Königs, kaum mehr als ein Stöhnen. Leodan schlug die Augen auf. Thaddeus ergriff seine Hand und flüsterte seinen Namen. Leodan drehte ihm das Gesicht zu, doch in seinen Augen zeigte sich nicht die Überraschung, die der Kanzler erwartet hatte. Der König schien die ganze Zeit über gewusst zu haben, dass er anwesend war. Der Verfall seines Körpers zeigte sich nur, wenn er den Mund aufmachte, um zu sprechen. Seine Zunge war weiß und trocken, geschwollen und schwerfällig. Ganz offenkundig konnte er nicht sprechen. Das war eine Folge des Gifts, ein Hinweis darauf, dass es mit ihm zu Ende ging.
    Seine Gliedmaßen jedoch hatte er noch teilweise in der Gewalt. Er gestikulierte mit den Händen, unbeholfen zunächst, bis Thaddeus begriff, dass er nach Pergament und einer Schreibfeder verlangte. Als er das Verlangte bekommen und der

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