Acacia 02 - Die fernen Lande
um ihren Humor zu würdigen und um sie gleichzeitig zum Schweigen zu bringen. Dann wandte er sich noch einmal an Grae. »Es geht das Gerücht, dass Corinn vor dem Krieg gegen Hanish – also zu einem Zeitpunkt, als sie nichts als eine Prinzessin war – in Euren älteren Bruder Igguldan verliebt war. Wäre es anders gekommen, hätten die beiden vielleicht geheiratet. Und Ihr wärt dann bereits direkt mit den Akarans verbunden. Ich weiß – es ist nicht anders gekommen. Es ist, wie es ist, aber hier gibt es eine Vergangenheit, die wir uns zunutze machen können. Ich schlage das nicht nur wegen Graes elegantem Kinn und seinen langen Beinen vor. Dergleichen mag hilfreich sein, aber was die Königin mehr verlocken könnte, sind die politischen Faktoren. Wenn ich ihr Handeln richtig deute, verachtet sie den Senat. Für sie ist er ein notwendiges Ärgernis. Ich bezweifle, dass sie irgendjemanden aus jenem vergoldeten Saal ehelichen will. Ein Bündnis mit Aushenia würde die Senatoren zum Schweigen bringen, ohne ihnen neue Macht zu verleihen. Genau genommen würde es ihr zu Eurer militärischen Macht verhelfen, wodurch es für die Senatoren noch schwerer wäre, ihr Ärger zu machen. Ich bin überzeugt, dass Corinn all dies in der Zeitspanne durchdenkt, die Ihr benötigt, um bei der Begrüßung das Knie zu beugen. Und davon mal abgesehen – die Königin ist immer noch eine Frau. Sie muss weibliche Bedürfnisse haben, genau wie alle anderen Frauen.«
»Schwanz.« Lady Shenk sah Grae an, als erschiene ihr die Vorstellung, ihn auf diese Mission zu schicken, nicht mehr ganz so absurd.
»Lady Shenk, Ihr habt bemerkenswert weise Worte zu diesem Gespräch beigetragen«, sagte Barad. »Selbst wenn der königliche Schwanz sich nicht als ausreichend verlockend erweisen sollte, wird Grae trotzdem die Zeit und die Mittel haben, so viele Geheimnisse wie möglich aufzudecken und nach dem Lied von Elenet zu suchen – wenn es existiert und sich in Corinns Besitz befindet.«
»Und was ist, wenn Ihre Hoheit den Antrag des Königs annimmnt?«, fragte Lady Shenk.
Barad lehnte sich zurück und atmete tief durch die Nase ein. »In diesem Falle werden wir den jungen König aufmerksam im Auge behalten müssen, meine Freunde. Die Verlockung der Macht wird groß sein. Genau wie die Verlockung durch Corinn Akarans Bett. Ich vertraue darauf, König Grae, dass die Ehre Eures alten Geschlechts und die Gerechtigkeit einer freien Welt Euch gegen jede Versuchung schützen wird, uns zu verraten?«
Grae sah Barad lange mit seinen blauen Augen an. »Wenn ich euch verrate, dann nur dadurch, dass ich dem Miststück die Kehle durchschneide, ehe ich sie euch übergebe. Was alles andere betrifft, könnt ihr sicher sein, dass nichts mich in Versuchung führen kann. Ich trage eine Hoffnung in mir, die Generationen verweigert worden ist. Sie ist größer als ich und größer als ihr. Ich werde ihr treu bleiben.«
Barad nickte. Die Geste hatte etwas Endgültiges und bedurfte keiner weiteren Worte. Was er allerdings nicht laut sagte, war, dass er sich Graes Loyalität versichern würde, indem er Ganet in seiner Nähe behielt. Er würde den Prinzen unterweisen, sein Mentor sein, sein Wissen über die Bekannte Welt vervollständigen. Zumindest würde er es so erklären. In Wirklichkeit würde der Prinz als Unterpfand dienen. So lange Grae sich an die Abmachungen hielt, würde Ganet sicher gedeihen. Wenn der König allerdings irgendwie Corinns Macht erlag … nun, damit würden sie sich auseinandersetzen, wenn es tatsächlich so weit kommen sollte.
20
An dem Morgen, an dem Corinn ein Treffen mit dem Rat der Königin angesetzt hatte – nur ein paar Tage, nachdem sie von ihrer Reise durch Talay und den Quellen zurückgekommen war, die sie dort wieder zum Sprudeln gebracht hatte –, schritt sie mit Rhrenna an ihrer Seite ins Sonnenlicht der oberen Gärten hinaus. Obwohl der Tag warm war, trug sie ein langärmeliges Gewand aus teheenischer Baumwolle, das kunstvoll mit einander überlagernden Tierfiguren bestickt war, die auf Brust und Rücken herumtollten. Sie hatte ihre Haare zu einem straffen, von Zierkämmen zusammengehaltenen Knoten aufgesteckt. Die Kämme sahen ein wenig kriegerisch aus, als könnte sie sie herausziehen und wie Dolche schleudern, wenn sie zornig werden sollte.
Sie sah, dass Aaden in dem Labyrinth aus Teichen und Kanälen schwamm, das sich durch die Gärten zog. Sein Freund war bei ihm – der Knabe, den Aaden so gern zu haben
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