Acacia 02 - Die fernen Lande
schien. Devlyn. Es war unwahrscheinlich, dass die Teiche ursprünglich zum Schwimmen gedacht gewesen waren, doch Corinn war als Kind selbst darin geschwommen. Es wärmte ihr das Herz, Aadens Arme und Beine durch das glasklare Wasser streichen zu sehen. Er und Devlyn tauchten inmitten von goldenen, silbrigen und roten Fischen, von denen einige so lang waren wie der Arm eines Mannes, doch sie waren alle harmlos. Bis zu diesem Augenblick war sie immer noch von ihren allnächtlichen Qualen heimgesucht worden. Jetzt verscheuchte sie die Erinnerung an den Traum. Er war ohnehin töricht. Aliver und Hanish waren tot, Aaden war lebendig, und er gehörte ihr und würde für immer ihr gehören.
»Mutter!«, rief Aaden, der plötzlich bemerkte, dass er beobachtet wurde. Er trat Wasser und kam dabei einen Moment lang aus dem Rhythmus, so dass sein Mund eintauchte. Gleich darauf war er wieder oben, spuckte und rief: »Mutter, Devlyn hat einen Hakenfisch in den Teichen gesehen. Er hat gesagt, der war so lang wie ein Mann!«
Corinn trat an den erhöhten Rand des Teichs. Sie winkte die Jungen zu sich. »Einen Hakenfisch, hast du gesagt?« Aaden nickte. Devyln nickte nicht, doch seine Schwimmbewegungen waren irgendwie anmutiger als die des Prinzen. »Was ist ein Hakenfisch?«
»Das weißt du nicht?«, fragte Aaden, doch er schien erfreut zu sein, das zu hören. »Das ist eins von diesen langen, schuppigen Wesen mit Widerhaken am Schwanz. Wie ein Haken, aber so scharf wie ein Marah-Schwert.«
Die Königin konnte nicht anders, sie musste sich hinunterbeugen und dem japsenden Jungen die nassen Strähnen aus der Stirn streichen. Auch wenn allein die Vorstellung, dass ein solcher Fisch unter den Füßen ihres Sohnes herumschwimmen könnte, ihr einen Stich des Unbehagens versetzte, wusste sie doch, dass es Unsinn war. Die Teiche waren ungefährlich gewesen, seit der sechste König sie vor Generationen für seine Frau angelegt hatte. Warum sehnen sich Jungen nur immer nach Ungeheuern?, überlegte sie. Laut sagte sie: »Tatsächlich?«
»Ja! Und sie haben so scharfe Zähne, dass sie bis auf den Knochen beißen können! Und wenn sie einen beißen, lassen sie nicht mehr los, selbst wenn man sie aus dem Wasser holt. Stimmt’s, Devlyn?«
Der andere Junge sah die Königin nicht gleich an. Seine Antwort war eher an die steinerne Einfassung des Teichs gerichtet, als er sagte: »Ja. Sie haben grüne Augen.«
»Du hast die Farbe seiner Augen gesehen? Das ist ja erschreckend. Und warum seid ihr dann immer noch im Wasser?«
»Um ihn zu jagen«, antwortete Devlyn.
Aaden nickte, doch Corinn wandte den Blick nicht von dem anderen Jungen. Er war auf seine Weise durchaus ansehnlich, mit dunklen Augen und braunen Locken, die vor Nässe glänzten. In ein paar Jahren würde er atemberaubend sein, eine Vorstellung, die ihr ganz und gar nicht behagte. Würde er in seiner braunhäutigen Schönheit Aaden in den Schatten stellen? »Und ich nehme an, du hast vor, die Bestie selbst zu erlegen?«
Zu ihrer Überraschung zögerte der Junge nicht einen Herzschlag lang mit der Antwort. »Nein«, sagte er, und ganz kurz huschte sein Blick zu ihr empor. »Aaden wird ihn töten. Ich bin sein Gehilfe.«
Oh, du kennst also deinen Platz? »Und was tust du als Gehilfe für Aaden?«
»Was immer er will. Alles. Ich muss dafür sorgen, dass ihm nichts geschieht.«
»Ich werde doch König sein, Mutter«, erklärte Aaden. In diesem Augenblick klang er älter als sonst und ein bisschen müde. »Devlyn weiß das. Er weiß, wie er mich beschützen muss. Deshalb …«
Aaden verstummte, doch Corinn wusste, was er beinahe gesagt hätte. Er hätte beinahe den Wunsch ausgesprochen, dass Devlyn sein Kanzler werden sollte. Er hatte innegehalten, weil er wusste, dass seine Mutter ein solches Gespräch vor dem anderen Jungen nicht gutheißen würde. Das war klug; die Tatsache, dass die Gesichter beider Knaben einen Moment lang völlig ausdruckslos wurden, machte ihr allerdings eindeutig klar, dass sie miteinander darüber gesprochen hatten. Das war nicht klug. Oder vielleicht doch … vielleicht musste ein Prinz sich seiner Gefährten versichern, so lange er noch jung war. Vielleicht würde Aaden besser dran sein als sie, die sich mit einem Haufen ehrgeiziger Narren herumschlagen musste. Bei diesem Gedanken erinnerte sie sich an das Treffen, das für diesen Tag geplant war. Sie wünschte den Jungen eine erfolgreiche Jagd und ließ sie belebt und aufgeregt johlend zurück.
Der Rat
Weitere Kostenlose Bücher