Acacia 02 - Die fernen Lande
stattdessen sollten wir sie zu unseren Freunden machen. Zum einen ist da die Königin und das, was sie treibt. Hat sie das Buch der Magie? Und wenn ja, welche anderen Kräfte verleiht es ihr möglicherweise noch? Und welche Kräfte würden ihr geraubt werden, wenn wir es an uns bringen könnten?«
»Barad, wir haben niemanden, der diese Fragen beantworten könnte«, sagte Elaz. »Wir hatten eine Agentin im Palast – eine Dienerin, in die ich großes Vertrauen hatte –, aber sie ist verschwunden. Und wir sollten den Schmied aus der Unterstadt nicht vergessen. Unglücklicherweise wurde er mit einem belastenden Schriftstück in der Hand erwischt und ist gestorben, um unsere Geheimnisse zu bewahren. Und selbst diese beiden hatten keinen echten Zugang zur Königin. Es ist nicht leicht, an sie heranzukommen, nicht zuletzt deshalb, weil wir es beim Spionieren immer riskieren, der Gilde in die Quere zu kommen – die ihre beträchtlichen Ressourcen nutzt, um dasselbe zu tun. Im Augenblick sind wir blind …«
»Und wenn wir den jungen König schicken?«, unterbrach ihn Barad.
Elaz erstarrte. »Grae?«
Der König, der die Auswahl an Karotten vor seinem Platz betrachtet hatte, war schlagartig hellwach. »Ich? Ihr wollt, dass ich die Königin ausspioniere?«
»Ihr müsst Acacia doch ohnehin einen Besuch abstatten, oder? Schaut jetzt dort vorbei. Ihr werdet empfangen werden, wie es Eurem königlichen Stand entspricht. Ihr und Eure Diener könnt Bereiche des Palasts betreten, in die wir niemals vordringen können. Natürlich kommt ihr mit einer ganz besonderen Absicht nach Acacia, einer Absicht, die Euch der Königin nahebringen wird.«
Der junge Mann sah einen Augenblick lang überrascht aus, fasste sich jedoch rasch wieder. Er griff nach einer dünnen Karotte, betrachtete sie angelegentlich von mehreren Seiten und schob sie sich dann in den Mund. »Und was für eine Absicht ist das?«, fragte er kauend.
Er will, dass wir ihn für ruhig und beherrscht halten, dachte Barad. Eigentlich hatte er an dem jungen Mann nichts auszusetzen, doch er glaubte, dass Unverblümtheit diese Fassade auf durchaus nützliche Weise zerstören würde. Wie bei den meisten Dingen, die Barad laut aussprach, hatte er zuvor sehr lange und sorgfältig darüber nachgedacht. »Ihr geht als Freier nach Acacia«, sagte er. »Mit Blumen in den Händen und süßen Worten auf den Lippen.«
Grae spuckte ein Stück Karotte aus. »Das soll wohl ein Witz sein!«
»Es ist lange her, dass ich fröhlich genug war, um Witze zu machen.« Barad zwinkerte Hatz zu und sah dann wieder den Aushenier an. »Ich weiß es zu schätzen, wenn andere Humor haben – aber nein, Grae, das ist kein Witz.«
Elaz saugte an seinen Zähnen, ein eindeutiges Zeichen, dass er im Geiste rasch die Möglichkeiten durchging, die sich daraus ergaben. »Es gibt im Senat eine Fraktion, die die Königin zu einer Heirat zwingen will«, sagte er. »Und sie wird stärker, wie ich gehört habe. Während sie abwesend ist und Wasser aus der trockenen Erde strömen lässt, wird in Alecia darüber geredet, wer mit ihr schlafen soll und wie man sie davon überzeugen kann, dass sie zum Wohle des Reiches einen Mann an ihrer Seite braucht.«
Lady Shenk lachte und ließ eine ihrer großen Hände mit den kräftigen Knöcheln auf die Tischplatte krachen. »Zum Wohle des Reiches? Wohl eher zum Wohle des Schwanzes von irgendeinem Lüstling. Damit denken die doch. Das ist eine Massenbewegung ehrgeiziger Schwänze! Glaubt mir, ich habe so was schon erlebt.«
»Lady Shenk hat nicht unrecht.« Renold sprach als der Gelehrte, der er vor kurzem noch gewesen war, »aber der Senat von Alecia ist keine senivalische Schenke. Nein, wir sollten nicht zu eifrig über diese Angelegenheit scherzen. Acacische Herrscher sind an die alten Gesetze gebunden. Dazu gehört auch, dass der herrschende Monarch verheiratet sein sollte. Sie sollen Thronerben in die Welt setzen, und zwar so viele wie möglich, um das königliche Geschlecht zu erhalten. Corinn hat einen Sohn, ja, aber ein einziger Erbe ist nicht genug, und Aaden entstammt keiner rechtmäßigen Verbindung. Wenn die Senatoren diese Frage formell angehen, haben sie einen echten Anspruch.«
»Es geht um Schwänze«, wiederholte Lady Shenk. »Aber du hast recht, der Senat ist keine Schenke. Ich würde keinen Senator in eine meiner Schenken lassen. Die geben kaum Trinkgeld und beklagen sich außerdem dauernd.«
Barad legte der Frau eine Hand auf den fleischigen Arm,
Weitere Kostenlose Bücher