Acacia 02 - Die fernen Lande
verschwommener macht. Deshalb huren sie herum und vermehren sich und prügeln sich betrunken in Schenken.« Er konnte die Verachtung auf seinem hängebackigen Gesicht kaum verbergen. »Ich sage, gebt ihnen den neuen Wein, je eher, desto besser. Dann werden wir alle glücklicher sein.«
Sire Dagon räusperte sich, kräuselte die Lippen und hielt den ganzen Raum einen Moment lang in seinem Bann. »Die Gilde ist bereit, den Wein zu verteilen, sobald Ihr bereit seid, Euer Majestät.«
Corinn wusste, dass sie alle sehen wollten, wie das Reich von dem Zeug überlief. Wahrscheinlich war das tatsächlich auch das Beste, daher würde dieser Weg bald eingeschlagen werden. Einmal mehr redete sie sich ein, dass sie es nicht hinauszögerte. Sie musste nur wissen, dass der richtige Zeitpunkt gekommen war. »Ich weiß«, antwortete sie. »Und ich werde es erlauben, wenn ich es für richtig halte.«
Baddel, der einzige Talaye im Rat, geriet von Neuem ins Schwärmen. »Eure Reise war ein solcher Erfolg«, verkündete er, »dass ich mich frage, ob Ihr vielleicht eine weitere plant. Talay ist groß genug. Ihr habt die Küstenregion gestreift, doch im Landesinnern …« Er hielt inne und schürzte die vollen Lippen, als hätte er sich noch gar keine Gedanken darüber gemacht. Seine Machenschaften waren offensichtlich, aber Corinn konnte ihn trotzdem beinahe gut leiden. »Meile um Meile trockenes Land, unermesslich … Hundert Quellen mehr zwischen Umae und Halaly würden so viel Gutes bewirken. Denkt nur, was es für die Halaly bedeuten würde, wenn ihr See wieder so voll wie früher wäre!«
»Inzwischen müsste Mena die Halaly von der Bestie im See erlöst haben«, sagte Rhrenna.
»Das hoffe ich wirklich«, sagte Seyden. »Er wird sich wieder füllen, wie immer. Ich habe gerade über etwas ganz anderes nachgedacht. Der Wald von Eilavan wurde durch das Abholzen dort schwer belastet. Dabei hat es sich natürlich um erstklassiges Holz gehandelt, das für eine Nation, die nach einem Krieg wieder aufgebaut werden musste, von unschätzbarem Wert war. Der Bedarf bleibt hoch, und mit dem Aufforsten wurde gerade erst richtig begonnen. Könntet Ihr – ach, ich weiß nicht – könntet Ihr die Bäume schneller wachsen lassen?«
Innerlich verdrehte Corinn die Augen. Nach außen hin sah sie ihn nur an. Wann hatte irgendeiner dieser Narren jemals etwas vorgeschlagen, das nicht ihm selbst zugutekommen sollte?
Rhrenna antwortete für sie. »Ich frage mich, Senator Seyden, ob Ihr als Repräsentant des Senats hier seid oder als Euer eigener? Besitzt Ihr nicht einen Anteil an dem Wald? Wenn ich mich nicht irre, schlägt Eure Familie dort seit hundert oder mehr Jahren Holz.«
»Wir sind eine von vielen Familien, das stimmt, aber …«
»Dann hattet Ihr also mehr als genug Zeit zu lernen, wie man ihn richtig pflegt. Die Königin handelt nicht, um den persönlichen Interessen einiger weniger gerecht zu werden.« Rhrenna warf Corinn einen Blick zu. »Sollen wir uns anderen Punkten zuwenden?«
»Vergebt uns«, bat Talinbeck. »Wir wissen einfach nicht, wozu Ihr fähig seid. Wir wissen nicht, wie Ihr die Dinge zuwege bringt, die Ihr tut. Wenn Ihr es uns erklärt, wissen wir es und …«
Corinn gefiel der ernste Tonfall des Ingenieurs nicht. Dass sie jetzt anfingen, ehrlich zu ihr zu sein, war das Letzte, was sie wollte. »Ja, wenden wir uns den anderen Punkten zu.« Sie wartete einen Augenblick. »Gibt es denn noch andere Punkte?« Sie wusste, dass es etwas gab, das sie wahrscheinlich ansprechen würden, ehe sie sie entließ, doch als das Schweigen andauerte, glaubte sie beinahe, sie könnte das Treffen beenden, ohne sich damit auseinandersetzen zu müssen.
Dann jedoch räusperte sich Julian, das älteste Ratsmitglied, und deutete mit einer Geste an, dass er sprechen wollte. Er war der Einzige in der Gruppe, der ein Mitglied von Leodans Rat gewesen war. Und er war ziemlich berüchtigt, da er Berichten zufolge bezweifelt hatte, dass Thasren Meins Anschlag auf König Leodan tatsächlich bedeutete, dass Hanish Mein einen Krieg beginnen wollte. Diesbezüglich hatte er sich geirrt, aber er hatte es geschafft, lange genug am Leben zu bleiben, um zu erleben, wie eine andere Akaran die Herrschaft übernahm. Wegen dieser Verbindung mit der Vergangenheit war er ein Mitglied des Rates.
»Ich hoffe, Ihr habt nichts dagegen, dass ich es erwähne, Euer Majestät«, begann Julian mit zittriger Stimme. »Ich weiß, es ist eine delikate Angelegenheit, und es
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