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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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gewesen wäre und ihr Körper nicht so geschmerzt hätte. Sie erinnerte sich an den Augenblick, als es sie in die Luft emporgerissen hatte, daran, wie die Erde unter ihr zurückgeblieben war, als hätten sie und das Tier regungslos verharrt, während alles andere und alle anderen unter ihnen plötzlich nach unten gesackt waren. Zumindest war das eine Art, wie sie es in Erinnerung hatte.
    Andererseits erinnerte sie sich an den unglaublichen, trommelfellzerfetzenden Lärm. Sie war an dem Schwanz emporgeklettert, als wäre er ein Seil. Über und vor ihr flog das Übelding. Das Tier selbst war stumm gewesen, alles andere jedoch war ein Durcheinander aus Getöse und Wind, aus schlagenden Flügeln und unstetem Flug. Mehrere Male traf sie eins der herumschwingenden Gewichte, bis sie ihr Kurzschwert ziehen und mehrere Seile kappen konnte. Sie wusste, dass es das für das Übelding leichter machte, andererseits hätte ihr einer der Steine den Schädel einschlagen können. Außerdem schien die Kreatur nicht sehr viel Leben in sich zu haben. Zwar zeugte jeder Flügelschlag von Kraft, doch dazwischen vergingen lange Augenblicke, in denen die Flügel kurz davor schienen nachzugeben. Mena klammerte sich an das fliegende Geschöpf, voll und ganz davon überzeugt, dass sie im nächsten Moment abstürzen würden, nahe genug, dass ihre Leute sie nicht aus den Augen verlieren würden.
    Doch die Kreatur war robuster, als sie geglaubt hatte. Die welligen Hügel von Talay glitten tief unter ihr dahin, entrollten sich unter ihnen, während sie weiter und immer weiter flogen. Akazien wurden zu winzigen Blüten, Flüsse sahen aus wie Linien auf einer Landkarte; ihr Blick glich dem eines Adlers, der auf die Welt hinunterblickte, die sich unter ihm ausbreitete. Sie wusste nicht genau, wie viel Zeit auf diese Weise verstrichen war. Vielleicht Stunden. Ein paar Mal glaubte sie, das da über ihr sei Maeben. Sie glaubte, das wütende Kreischen der großen Göttin zu hören. Es ergab keinen Sinn, es sei denn, sie wäre in einen Traum gesunken. Doch wie hätte das sein können, wo sie sich doch mit aller Kraft festklammerte. Es sei denn, das Tier hielte sie in Wirklichkeit fest.
    Die letzten Augenblicke des Fluges hatten sie in dieses Hochland gebracht. Anfangs dachte sie, sie würden tiefer sinken, tatsächlich jedoch stiegen das Plateau und die Hügel darauf an, wuchsen ihnen entgegen. In der Ferne sah sie etwas, das sie für die graue Weite des Meeres hielt, und konzentrierte sich dann auf die Hügel, die Felsen, die Gipfel, die näher und näher kamen. Anscheinend hatte die Kreatur nicht die Kraft, höher zu steigen. Ihr Flug wurde noch unsteter, eben noch heftig und wild und dann wieder langsam, so dass sie immer wieder absackten und erneut aufstiegen. Mena befürchtete, an einer Felswand zerschmettert zu werden und wurde dann doch gerettet, als das Tier darüber hinwegglitt. Dabei berührten Menas Füße kurz den Fels und strampelten über die Oberfläche. Sie lockerte ihren Griff ein wenig, dachte daran, den Schwanz loszulassen. Doch ehe sie das tun konnte, waren sie schon wieder in der Luft.
    Das Tier tauchte in die nächste Schlucht, und als es wieder emporstieg, um sich über den auf sie zukommenden Hang zu kämpfen, spürte Mena, wie ihre Hand abrutschte. Natürlich konnte sie sich nicht in alle Ewigkeit festhalten. Vielleicht ließ aber auch das Tier sie los. Die geschmeidigen Muskeln des Schwanzes erschlafften in ihrer Hand. Dieses Mal berührte Mena mit den Füßen die senkrechte Felswand, als das Tier es gerade eben schaffte, über die schroffen Felsen hinwegzugleiten, die die Kuppe des Grats bildeten. Sie hatte jedoch nicht die Kraft, sich noch länger festzuhalten. Der Schwanz rutschte ihr aus den Händen. Einen Augenblick lang hing sie so da, beide Füße auf dem Fels und den Körper waagrecht in der Luft schwebend, als gäbe es so etwas wie die Anziehungskraft der Welt nicht. Sie sah das Übelding ein letztes Mal, von unten, während sein Schatten über die Felsvorsprünge huschte und verschwand, sein Schwanz noch ein letztes Mal schlug, ehe er ebenfalls verschwand. Abermals hörte sie Maebens schrillen Schrei, und dann erinnerte die Erde sich an sie, zog an ihr – und alles war jetzt ihr schmerzhaftes, wirbelndes Fallen den Hang hinunter. Wäre sie nicht so erschöpft und ihr Körper nicht schlaff wie der einer Puppe gewesen, so hätte sie diesen Sturz möglicherweise nicht überlebt.
    Als sie die letzten Stufen zum Gipfel

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