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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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dann stand sie unbeholfen auf. Etwas tun. Sie musste etwas tun. Trotz und wegen ihrer Schmerzen musste sie etwas tun.
    Die nächste Stunde humpelte Mena umher und sammelte all das, was sie brauchen würde, um ihren Arm zu schienen. Es gab keine Bäume in der Nähe, und sie war noch nicht so weit, den Blick zu heben und über ihre unmittelbare Umgebung hinauszuschauen. Stattdessen fand sie ein paar schmale, längliche Steine sowie moosige Grasstreifen, die sie einhändig mit ihrem Kurzschwert zurechtschnitt. Nicht weit entfernt gurgelte ein kleiner Bach, und sie humpelte hinüber und krümmte sich, als ihre ausgetrocknete Kehle sich vor Durst in Krämpfen zusammenzog.
    Sie stand länger neben dem Bach, als sie es eigentlich gewollt hatte, und wusste nicht recht, ob sie trinken oder zuerst ihren Arm versorgen sollte. Zu guter Letzt tat sie beides. Sie öffnete ihren Schwertgürtel, ließ ihn fallen, und wand sich aus ihren Kleidern. Als sie schließlich in einen der tieferen Teiche trat, trug sie nur noch ihren Aal-Anhänger – den, den sie in der vertrockneten Hand eines Kindes unter Maebens Horst gefunden hatte. Das Wasser war beißend kalt, aber das war gut. Sie würde durch und durch nass sein, aber auch das war gut. Ja, es war gut, sich den Dreck und den Schweiß und das Blut abzuwaschen. Während sie ihren gebrochenen Arm schwerelos im Wasser treiben ließ, schöpfte sie sich mit der rechten Hand Wasser in den Mund. Sie trank langsam, machte Pausen, um zwischen den einzelnen Schlucken Luft zu holen, hetzte sich nicht.
    Als ihr Körper sich so taub anfühlte, dass sie es gerade noch ertragen konnte, kroch sie aus dem Bach und versorgte – immer noch nackt und dankbar für die Berührung der Morgensonne – ihren Arm. Die Haut war unverletzt, wenngleich von hässlichen Blutergüssen in Blau und Grün und Gelb und Rot übersät, und sie konnte den verformten Knochen darunter sehen. Sie legte den Arm auf den Boden und machte sich an ihm zu schaffen, ein einarmiges Wesen, das ein fremdes Gebilde umsorgte, an das sie gefesselt war. Das Moos verwendete sie als Polster und reihte die Steine darum herum auf, die als Schiene dienen sollten, benutzte ein Stück Schnur von ihrer Taille, um alles fest zusammenzubinden. Letzteres dauerte sehr, sehr lange, und ihr schmerzten dabei die Finger, denn es war schwierig, die Schnur nur mit einer Hand zu binden. Während sie die Schiene mit dem Kinn niederdrückte, zog sie an ihrer linken Hand und versuchte, den Knochen gerade auszurichten, danach zurrte sie die Schnüre erneut fest.
    Als sie schließlich fertig war – wieder angezogen und mit dem Arm in einer Schlinge, die sie aus dem langen Stück Stoff gefertigt hatte, das einst ihr Gürtel gewesen war – stand die Sonne hoch am Himmel und brannte heiß, und sie schwitzte vor Anstrengung. War der Knochen gerade? Sie wusste es nicht genau, aber sie hatte getan, was sie konnte. Natürlich hätte sie nun auch noch ihre geringeren Verletzungen versorgen können, doch das hätte nur bedeutet, das, das viel wichtiger war, noch weiter aufzuschieben. Sie wusste, dass alles, was sie tat, Kleinigkeiten waren – Verzögerungen, ehe sie sich dem stellte, dem sie sich stellen musste. Ihr Körper würde einige Zeit von Blutergüssen und Prellungen übersät sein, jetzt jedoch, da sie den Arm geschient hatte, hatte sie keinen Grund mehr, nicht aufzublicken und sich nach ihm umzusehen – nach dem Übelding.
    Während sie zu einem Hügelgrat hinaufkletterte und darauf entlang zu einem noch höheren Aussichtspunkt trottete, ließ Mena den Blick über die Gegend um sie herum schweifen. Es war eine gemäßigte Landschaft aus schroffen, grasbewachsenen Hügeln, die nur von einer dünnen Schicht Mutterboden bedeckt waren, so dass hier und da der felsige Untergrund zu Tage trat. Sie war sich nicht ganz sicher, aber sie glaubte, dass sie nach Westen geflogen waren, in die Hügel von Nord-Talay; vielleicht befand sie sich nicht weit von Nesreh und der Westküste. Sie erinnerte sich daran, irgendwann einmal kurz am fernen Horizont das Meer aufblitzen gesehen zu haben, bevor die Bestie – und sie mit ihr – erschöpft auf die Erde gestürzt war.
    Was für ein merkwürdiger Flug das gewesen war. Das Wesen hatte sie gepackt, oder? Oder hatte sie es festgehalten? Hatte es sie mitnehmen wollen, oder hatte sie bei ihm sein wollen? Mena wusste es nicht. Sie hätte das Ganze für einen Traum gehalten, wenn die Welt um sie herum nicht so wirklich

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