Acacia 02 - Die fernen Lande
zurückweisen. Er betrachtete sie auf eine Weise von oben bis unten, die ihr genau das übermittelte. Sie zeigte durch nichts an, dass sie es zur Kenntnis nahm, doch er wusste es besser.
»Sagt mir, Rhrenna, vermisst Ihr jemals Eure Heimat? Es ist eine Schande, meint Ihr nicht auch, dass die Mein-Feste Tahalia aufgegeben wurde. Inzwischen muss sie unter all dem Schnee und Eis eingestürzt und zermalmt sein. Und fast alle männlichen Mein abgeschlachtet … Das muss Euch bekümmern. So wenige übrig, aus denen man auswählen kann. Wie soll man unter solchen Umständen die Reinheit eines Volkes bewahren? Gewiss habt Ihr mittlerweile erfahren, dass auch Männer anderer Völker …«
Rhrenna unterbrach ihn kühl und geschäftsmäßig. »Ich werde mir Eure Nachricht anhören.« Sie reckte das Kinn. Ein hübsches Kinn, fand Delivegu. Kurz dachte er daran, an diesem Kinn herumzuknabbern, aber das musste bis zu einer anderen Gelegenheit warten.
»Oh, und ich dachte, Ihr wärt nur hier, um Euch ein bisschen mit mir zu unterhalten«, erwiderte er. »Ich habe Euch geschrieben, dass ich die Königin sehen muss, und dass es eilig ist.« Er ließ seinen Blick von ihrem Gesicht nach unten wandern, ließ ihn auf ihrem Busen und ihren schlanken Hüften verweilen. »Wenn meine Augen mich nicht täuschen, seid Ihr nicht die Königin, und Ihr habt mich so lange warten lassen, wie ich zu warten bereit bin. Holt die Königin, oder es wird Euch leidtun, dass Ihr es nicht getan habt.«
»Ihr erteilt mir keine Befehle, und der Königin erst recht nicht. Um was geht es? Wenn ich glaube, dass es die Aufmerksamkeit der Königin verdient, spreche ich mit ihr darüber.«
»Ach, kommt schon. Ihr wisst genau, dass die Königin sich mit mir trifft. Sie vertraut mir.«
»Sie vertraut mir «, korrigierte ihn Rhrenna. »Ihr erledigt bestimmte Angelegenheiten für sie, wenn sie Euch ruft. Aber Ihr ruft nicht sie herbei. Solltet Ihr etwas anderes angenommen haben, so ist das jetzt richtiggestellt worden.«
Delivegu trat näher an sie heran – so nah, dass er das Duftöl riechen konnte, mit dem sie ihren Hals betupft hatte. »Das, was mich heute hierhergeführt hat, ist keineswegs ein wunderlicher Einfall, mein liebes Mädchen.« Das Gesicht weggedreht, so dass er sie aus den Augenwinkeln ansehen musste, flüsterte er: »Wenn Ihr nachts an mich denkt, stellt Ihr Euch wahrscheinlich einen Schurken vor, einen Räuber vielleicht, der sich in Euer Zimmer schleicht und …« Rhrenna riss den Kopf zur Seite und wollte sich abwenden. Seine Hand schoss empor, packte sie an der Schulter und hielt sie zurück. »Ich würde das nicht leugnen. Dafür ist später noch Zeit. Aber jetzt, das schwöre ich Euch, Teuerste, wird Eure Herrin wissen wollen, was ich ihr zu sagen habe. Es geht um ihre Familie.«
»Dann sag es mir«, sagte Corinn, die um die Ecke und die letzten Stufen herunterkam. »Und es sollte lieber wichtig sein. Falls nicht, werde ich deine Dreistigkeit als Zeichen dafür werten, dass unsere Geschäfte beendet sind.«
Delivegu trat einen Schritt von Rhrenna weg. Er verbeugte sich tief und verharrte in dieser Position, weil er sehr wohl wusste, dass die Muskeln seiner Schultern und seines Rückens sein dünnes Hemd spannten. »Bevor Ihr meinen Untergang verkündet, Euer Majestät«, sagte er, »bedenkt erst meine Botschaft. Ich hätte sie Eurer Zofe mitteilen können …«
»Ich bin keine Zofe«, fauchte Rhrenna.
»Aber sobald Ihr sie gehört hättet, hättet Ihr mich rufen lassen. Ihr würdet auch nicht wollen, dass sie niedergeschrieben wird, und ich würde wetten, dass Ihr auch nicht hättet warten wollen, bis wir ein weiteres heimliches Treffen verabredet hätten.« Er richtete sich auf, genoss das Wort heimliches und zog es leicht in die Länge. »Ich habe lediglich Eure Wünsche vorausgeahnt.« Das königliche Gesicht blieb gefährlich verärgert. Sie war eine Schlange, diese Frau. Er kam zur Sache. »Die Frau, mit der Euer Bruder das Bett teilt, Wren – sie ist schwanger.«
Das Gesicht der Königin wurde ausdruckslos. Einen Moment lang sah sie so aus, als denke sie überhaupt nichts, als sei ihr lieblicher Kopf leer und es sei an ihm, ihn zu füllen. Delivegu gestattete sich das Lächeln nicht, das in ihm aufstieg.
»Wie ich sehe, fragt Ihr Euch«, sagte er, »woher ich so viel über die Gepflogenheiten einer vornehmen Dame weiß. Das kann ich Euch in allen Einzelheiten erläutern.«
Und genau das tat er. Wobei er Yanzen mit keiner
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