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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Silbe erwähnte und stattdessen eine größtenteils erfundene Geschichte. Seine Kenntnisse stammten ursprünglich aus Quellen, die viel niederen Standes und zu anrüchig waren, als dass Corinn auch nur ihre Namen hätte kennen können. Durch diese zwielichtigen Agenten, so behauptete er, habe er von einer Kurtisane erfahren – oder genauer gesagt einer Hure, denn sie war am unteren Ende ihres Gewerbes angesiedelt –, die damit geprahlt habe, etwas ganz Bestimmtes über die Gefährtin des Prinzen zu wissen. Anscheinend arbeitete ihre Base im Haus eines Baders, dessen Frau einigen der erbärmlichen Bewohnerinnen der Unterstadt als Hebamme diente. »Es ist ein bisschen kompliziert – dieses ganze Netz –, aber habt noch ein bisschen Geduld.« Wie Wren mit so einer Frau in Berührung gekommen war, wusste die Hure nicht zu sagen. Er nahm an, dass sie sie aufgesucht hatte, damit das Ganze geheim blieb und der Palast nichts davon erfuhr. Die Hure schwor, dass ihre Base im selben Raum gewesen sei, als die Hebamme die Schwangerschaft des Mädchens bestätigt hatte. Ihrer Meinung nach sah die Frau gesund aus, und es gab keinen Grund zu glauben, dass das Kind momentan in Gefahr sei. Aber genau darum ging es: Ein Kind des Prinzen war unterwegs.
    »Das Mädchen freut sich. Sie will das Kind haben. Sie konnte gar nicht aufhören, sich über den Bauch zu streichen, auch wenn man da bis jetzt noch gar nichts sieht.« Diese letzte Einzelheit hatte er aus dem Stegreif hinzugedichtet, doch er ging davon aus, dass sie nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt war.
    Rhrenna war die Erste, die etwas sagte. »Das ist nicht möglich.«
    »Warum nicht? Was macht es unmöglich?«
    Die Königin drehte sich um und legte die Hände auf die steinerne Balustrade. Die Sonne stand bereits tief über dem Horizont und überhauchte ihr Gesicht mit orangefarbenen Glanzlichtern – ein Gesicht, das jetzt nicht mehr ausdruckslos, aber ebenso undurchdringlich wie schön war. Als sie sprach, war es gut möglich, dass ihre Worte mehr an Rhrenna als an Delivegu gerichtet waren. »Wren sollte eigentlich nicht schwanger werden können. Ihr wurde vor vielen Jahren eine Tinktur in den Tee gemischt, die sie unfruchtbar gemacht hat. Das hat man mir zumindest erzählt.«
    »Das kann auch immer noch stimmen«, wandte die Sekretärin ein. »Wren hat sich noch nicht geäußert. Wie können wir sicher sein, dass diese Hure die Wahrheit gesagt hat?«
    Delivegu legte einen Arm quer über die Brust und strich sich mit den Fingern der anderen Hand durch den Bart. »Es könnte sein«, sagte er und verlieh seiner Stimme einen nachdenklichen Tonfall, als dächte er erst jetzt – mit ihrer Ermutigung – richtig darüber nach, »dass Wren nicht will, dass Ihr es erfahrt. Ich weiß nicht, warum, aber Frauen haben ihre Gründe. Und was die Hure angeht … nun, ich habe sie befragt.«
    »Wie?«, fragte Rhrenna.
    »Es würde Euch nicht gefallen, alle Einzelheiten zu hören.« Fast hätte er darauf bestanden, dass dies seine letzte Antwort sein würde, doch er stellte stattdessen fest, dass er weitersprach. Irgendetwas an dem Gedanken, die beiden Frauen – vor allem Rhrenna – zu schockieren, erregte ihn. »Das Ende war folgendermaßen: Ich habe ihre Hand mit gespreizten Fingern auf den Tisch gelegt und ihr gesagt, dass ich ihr einen Finger nach dem anderen abtrennen würde, bis sie mir die Wahrheit sagt und ich ihr glaube.«
    »War es nötig, ihr die Finger abzutrennen?«, fragte Corinn kühl.
    »Die Drohung war nicht sehr überzeugend, solange ich ihr nicht einen abgeschnitten hatte, als Beweis, dass ich es ernst meine. Also habe ich es getan, aber nur einen kleinen.«
    »Und hat sie ihre Geschichte geändert, als du das Messer erneut gehoben hast?«
    »Nun, ja, das hat sie getan«, räumte er ein, »aber ich hatte ihr gerade einen Finger abgeschnitten. Sie muss angenommen haben, dass ich das, was sie gesagt hatte, nicht hören wollte, also hat sie ihre Geschichte verändert. Das kann man ihr nicht verdenken. Wie gesagt, sie ist schlau. Jedenfalls habe ich ihr geglaubt. Ich habe ihr die anderen neun Finger gelassen, und wir waren beide zufrieden.«
    »Barbarisch«, bemerkte Corinn, die immer noch zur sinkenden Sonne hinausschaute, »und unzureichend. Finger abzutrennen ist kein Mittel, um die Wahrheit zu erfahren.«
    Delivegu war vollkommen anderer Ansicht. Außerdem gefiel ihm das Wort barbarisch nicht sonderlich, oder dass an seinen Worten gezweifelt wurde.

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