Acacia 02 - Die fernen Lande
Vielleicht Sai, aber der würde Corinn genauso schnell heiraten wie er irgendetwas anderes tun würde. Würde seine bisherige Gemahlin binnen einer Sekunde fallenlassen, ja, das würde er. Aber viele Agnaten sind noch Frischlinge. Sie wissen noch nicht, wie man sich als Adliger verhält. Vor Hanish – damals hat es am Hof und im Senat nicht nur von Schlangen gewimmelt, sondern von Grubenottern. Diese neuen Adligen – von denen sind nur wenige giftig, wenn sie beißen. Nimm zum Beispiel das mit den Geiseln. Vor Hanish war es nichts Besonderes für die Adligen, ihre Söhne und Töchter wegzuschicken. Sie haben damit gerechnet. Es war ein Teil ihrer Bürde. Ja, sicher, sie haben ihren Erben geliebt, aber es hat ihnen keine schlaflosen Nächte bereitet, wenn Thaddeus Clegg vorbeigekommen ist und ein Kind abgeholt hat, um es zum Hof zu bringen. Aber diese neuen Agnaten, die machen sich Sorgen. Die fragen sich, was da drüben an der Akademie vorgeht, besuchen ihre Kinder, wann immer sie können. Sie sind es einfach nicht gewohnt, dass ihre Sprösslinge wie Spielsteine hin und her bewegt werden. Das hat das Miststück ziemlich gut gemacht.« Er lehnte sich zurück, sog an seiner Pfeife und sah ungemein entspannt aus. »Aber egal, sie kauen meist nur auf ihrem Zahnfleisch. Für die meisten ist das Leben jetzt besser als vor Corinns Aufstieg. Daran wollen sie nicht rütteln.«
Bei dem Wort Miststück war Delivegu ein wenig zusammengezuckt. Es ist nur ein Wort, dachte er, ein ungehobeltes Wort, das in Bezug auf Corinn nicht benutzt werden sollte, aber es ist nichts, wozu man etwas sagen müsste. Was die restlichen Ratschläge seines Freundes anging, so würde er sie später abwägen müssen, denn er war nicht davon überzeugt, dass die Agnaten so harmlos waren, wie Yanzen glaubte. Vielleicht hatte der Mann zu lange in ihrer Gesellschaft gelebt. Obwohl er andererseits genau deswegen auch recht haben könnte, was sie anging.
»Und was ist mit dem gemeinen Volk?«, fragte Delivegu.
»Wegen dem machen sich alle Sorgen.«
»Spricht dein Herr eigentlich jemals von Barad? Manche nennen ihn auch Barad den Geringeren, ein Aufrührer aus Kidnaban.«
»Hab den Namen schon mal gehört. Sai beachtet ihn nicht. Ein Mann wie er kann einen Gemeinen nicht als Bedrohung betrachten.«
»Die meisten sind auch keine.«
Yanzen musste etwas in Delivegus Stimme gehört haben, denn er nahm die Pfeife aus dem Mund und musterte ihn. »Glaubst du, dass dieser Barad eine Bedrohung sein könnte?«
Delivegu leerte den letzten Rest aus der Flasche in seinen Becher. »Sein Name ist mir zu Ohren gekommen. Er beunruhigt mich. Er sollte nicht wichtig sein, und doch habe ich das Gefühl, dass es so ist.«
»Ich glaube, du bist betört«, sagte Yanzen. »Was hast du vorhin noch mal gesagt – ›unentbehrlich für die Königin‹ oder so was? Sie ist ein Schwan, der dir den Hals bricht, während du ihr noch Komplimente über die Schönheit ihrer Flügel machst. Merk dir meine Worte. Ich glaube auch nicht, dass sie dich in ihr Bett holen wird. Nicht einmal im Schutz ihrer eigenen Gemächer. Nach allem, was ich höre, ist es ihr verhasst, dass ihr Bruder sich mit einer Gemeinen eingelassen hat. Und bald wird es ihr sogar noch viel verhasster sein. Was denkst du über den Bastard des Prinzen, den es bald geben wird?«
Delivegu hatte gerade trinken wollen. Er verharrte mitten in der Bewegung, kniff ein Auge zu. »Wie meinst du das?«
»Das weißt du nicht?« Als Delivegu nicht sofort antwortete, lächelte Yanzen. »Du weißt es nicht, was? Das finde ich lustig. Ich weiß etwas, das du nicht weißt. Bin auch ziemlich leicht drangekommen. Vielleicht ist es ja ein bisschen was wert? Eine gewisse Verringerung meiner Schulden?«
»Alles ist möglich, wenn die Information sich als wahr erweist«, sagte Delivegu. Und dann fügte er knapp hinzu: »Erzähl!«
Als Delivegu endlich hörte, dass jemand zu ihm herunterkam, hatte er bereits eine Stunde lang auf dem Balkon an der Treppenflucht gewartet. Es war Rhrenna, die Vertraute der Königin. Eine kleine Enttäuschung. Sie war nicht unbedingt hübsch, ein bisschen zu schmallippig und blass für seinen Geschmack. Allerdings gefiel ihm der Schwung ihres Halses und die zarten Muskeln dort. Und mehr als alles andere gefiel ihm vielleicht die Tatsache, dass sie so eine enge Vertraute der Königin war. Mit ihr zu schlafen mochte im Vergleich weniger wert sein, unter den richtigen Umständen jedoch würde er sie nicht
Weitere Kostenlose Bücher