Acacia 02 - Die fernen Lande
Bewegungen hatten etwas Grobschlächtiges, das im Widerspruch zu seiner ordentlichen Kleidung, seinen gepflegten Fingernägeln und der adlerhaften Anmut seiner reifen Gesichtszüge stand. Wie viele, die Delivegu nahestanden, hatte Yanzen mehr als ein Gesicht. Seit seinem fünften Lebensjahr hatte er in Diensten des Seyden-Haushalts gestanden; anfangs als Botenjunge, später hatte er sich um die Pferde der Familie gekümmert. Einige Zeit lang versuchte er sich als Knappe für Sai Seydens jüngsten Sohn, bis der Junge einem Fieber erlag. In den vergangenen Jahren war er zum Oberhaupt der Hausbediensteten aufgestiegen. Diese Position, die ihm Zugang zu vielen vertraulichen Angelegenheiten verschaffte, machte ihn für Delivegu interessant. Zudem – und das war etwas, das seine Herren ganz bestimmt nicht wussten – spielte Yanzen gern und häufig und hatte eine beträchtliche Vorliebe für Dirnen. Da sie diese Laster teilten, verstanden Delivegu und Yanzen sich schon seit einiger Zeit recht gut. Die Tatsache, dass Yanzen Delivegu eine immer größer werdende Geldsumme schuldete, hatte ihrer Freundschaft keinen Abbruch getan. Es schien die Vertrautheit zwischen den beiden Männern sogar noch zu verstärken.
»Also …«, begann Yanzen und blies eine Rauchwolke in den leeren Raum zwischen ihnen, »hat die Königin schon die Beine für dich breitgemacht? Ist sie so süß, wie sie aussieht, oder ist sie innerlich ganz aus Eis? Die Meinungen gehen auseinander, weißt du. Seyden hat letzte Nacht getönt, sie würde gerne an Zehen lutschen. Stimmt das?«
Delivegus Gesicht verriet nichts davon, wie kurz davor er war, seine Faust quer über den Tisch zucken zu lassen. Er hätte nicht sagen können, warum ihn die Bemerkung so zornig machte, aber die Vorstellung, irgendein Teil von Sai Seydens Körper könnte dem Mund der Königin derart nahe kommen, ließ heiße Wut in ihm aufsteigen. Es war natürlich eine Lüge. Als ein Mann, der es niemals nötig gehabt hatte zu lügen, was seine Eroberungen anging, verachtete Delivegu diejenigen, die es taten. Zumindest erklärte er sich seine Reaktion so.
»Ich bezweifele, das Seyden irgendetwas anderes hat, woran sie lutschen könnte«, sagte er. »Oder seine Zehen sind deutlich größer als seine Männlichkeit. Ist genauso wahrscheinlich. Nein, ich bin nicht darauf aus, mit ihr zu schlafen.« Er machte eine Pause, um die Lüge einen Augenblick lang wirken zu lassen, und fügte dann etwas hinzu, das deutlich vernünftiger klang. »Auf diesem Weg wartet der Wahnsinn. Ich habe höhere Ziele. Ich will mich ihr unentbehrlich machen.«
»Ach ja? Und wie denkt sie darüber?«
»In heiklen Angelegenheiten wendet sie sich schon jetzt an mich. Sie hat keinen Kanzler, wie du weißt, und sie will auch keinen aus ihrem eigenen Stand.«
»Dann bildest du dir also ein, du hättest Aussichten auf die Kanzlerschaft?«
»In gewisser Weise schon«, sagte Delivegu. Er öffnete ein paar Knöpfe an seinem Hemd. Egal, wie er sie schneidern ließ, seine Hemden waren an den Schultern immer zu eng. »Ja, ich weiß, da müssen ein paar Fragen hinsichtlich meiner Herkunft bedacht werden, aber lass das ruhig meine Sorge sein. Und natürlich werde ich diejenigen mit Wohlgefallen betrachten, die meine Bestrebungen unterstützen, die genau genommen die Bestrebungen der Königin sind.«
Während er seinen Whiskey austrank, beobachtete Yanzen ihn über seinen Becher hinweg. Anschließend wischte er sich den Mund ab und fragte: »Also, was kann ich für dich tun? Willst du, dass im Haus der Seydens jemand stirbt? Man kann so ziemlich alles arrangieren, solange wir vorher den Preis festlegen.«
»Nein, um die unterhaltsamen Aufträge kümmere ich mich am liebsten selbst. Ich bin nur auf Informationen aus – und da würde ich gerne wissen, wie weit dein Wissen reicht. Wer von den Adligen ist deiner Meinung nach der größte Feind der Königin?«
Yanzen zuckte die Schultern. »Wer kann das schon sagen? Stell einen von denen auf den Kopf, und du wirst sehen, dass der Schwanz einer Schlange aus seinem Arsch kommt. Das ist die Wahrheit. Senator oder Landbesitzer, Gutsherr oder wer auch immer – Männer und Frauen, wohlgemerkt – sie alle reden wie Verräter, wenn sie von der Königin sprechen.«
»Planen sie etwas?«
»Ob sie etwas planen? Nein, die planen nichts. Die meisten von ihnen verfügen nicht über die nötige Gerissenheit dazu. Ich kann nicht behaupten, dass einer von ihnen eine Gefahr darstellt.
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