Acacia 02 - Die fernen Lande
sollen, das ausbrach, nachdem Devoth Sire Neen enthauptet hatte? Dem Ishtat-Soldaten neben ihm wurde der Arm an der Schulter abgetrennt. Sein Schrei war so schrecklich, dass Rialus das Gefühl hatte, er käme aus seinem eigenen Mund. Gleichzeitig ergoss sich ein Blutschwall über ihn, in dem er ausrutschte, als er zurückzuweichen versuchte. Einmal auf dem Boden, wurde er über die Steine geschoben, man trat ihn und trampelte auf ihm herum. Er schwamm zwischen Leichen und abgetrennten Gliedmaßen, und einmal verfingen sich seine Finger in den Gedärmen eines Gildenmannes. Er hatte so heftig und lange gewürgt, dass er begeistert seine inneren Organe ausgekotzt hätte, um dem ein Ende zu machen.
Als wäre das alles noch nicht schlimm genug gewesen, war es auch noch die Hand eines Auldek, die ihn schließlich packte und vom Boden hochriss; es waren Auldekhände, die ihn so lange ohrfeigten, bis er wieder bei Sinnen war; es waren Auldekaugen, die prüfend in die seinen blickten. Als sie ihn aus dem Saal schleppten, sah er keinen einzigen lebenden Acacier mehr. Es fiel ihm schwer, sich daran zu erinnern, was er gesehen hatte, aber er wusste, dass es das Szenario eines höllischen Gemetzels gewesen sein musste.
Als sie ihn allein ließen, flohen Rialus’ Gedanken vor den Einzelheiten seiner gegenwärtigen entsetzlichen Lage. Durch den Schmerz hindurch dachte er an Gurta. Er rief sich alles ins Gedächtnis, was gewesen war, was hätte sein können, und was ihm entglitten war. Sie hatte ihn geliebt. Ja, wirklich. Sie hatte es ihm immer wieder gesagt, in ihrem schlichten Acacisch, wie es für Niedriggeborene typisch war. Er hatte ihre Liebe in ihrem Gesicht mit den sanften Zügen gesehen, hatte sie in ihren zärtlichen Liebkosungen gespürt und gewusst, dass ihr Körper ihn wirklich jeden Abend willkommen geheißen hatte – so wie auch am Vormittag, am Nachmittag und manchmal in den frühen Morgenstunden, kurz vor dem Morgengrauen. Er hatte ihr ein Kind gemacht. Man stelle sich das vor! Ein Teil von ihm lebte nun in ihr. Er, Rialus, hatte sich unsterblich gemacht! Ein Kind, ein Junge, der seinen Namen tragen und seinen Reichtum noch weiter mehren würde, ein Kind, dem er allein alles über die Welt beibringen und das er nach seinem Bild formen konnte. Noch besser, er konnte ihn zu dem formen, der er selbst hätte werden können, wenn auch nur in seinen Träumen.
Und jetzt war diese Vaterrolle ausgelöscht. Sie schien plötzlich so vage, so fern, dass Rialus sich der Trauer überließ. Er wusste nicht, was mit ihm geschehen würde, aber er wusste, dass nichts jemals wieder so sein würde wie zuvor. Er weinte und schluchzte, wand sich in körperlichen und seelischen Qualen auf dem Boden, spuckte das Blut aus, das ihm im Mund zusammenlief.
In einem solchen Anfall von Selbstmitleid fand ihn Calrach. Der Numrek duckte sich unter dem niedrigen Türrahmen hindurch und schob seine massige Gestalt in den Raum, der schlagartig winzig klein und ungemütlich eng zu sein schien. Einen Moment lang stand er da, betrachtete Rialus und fragte ihn dann: »Was ist los mit dir?«
Rialus sah den Neuankömmling an und versuchte, trotz seines Elends eine Möglichkeit zu finden, diese Frage zu beantworten. Nichts, was ihm einfiel, schien geeignet, es zu dem Numrek zu sagen. Calrach stellte einen Schemel wieder hin, den Rialus umgeworfen hatte, und ließ sich darauf nieder. Er strich sich mit beiden Händen die schwarzen Haare zurück, drückte sie zu einem Pferdeschwanz zusammen und schlang einen Lederriemen darum.
Dann legte er seine derben Pranken auf die Knie und sagte: »Du musst eine Entscheidung treffen. Wenn du die Auldek verärgerst, steht dir allerhand bevor, beispielsweise« – der Numrek verdrehte die Augen, während er über die verschiedenen Möglichkeiten nachdachte –, »oh, ein Schürhaken, der dir in den Arsch geschoben wird; ja, das ist ziemlich wahrscheinlich. Ich habe auch gesehen, wie sie einem die Schulter zurückbiegen. Richtig weit zurückbiegen, so weit, dass du das Gefühl hast, der Knochen springt gleich aus dem Gelenk. Das sind vielleicht Schmerzen. Dann holen sie ein rotglühendes Messer aus dem Feuer. Eine ganz, ganz, ganz schmale Klinge. Und damit berühren sie einfach nur dein Fleisch. Eine ganz leichte Berührung, so leicht wie die einer Feder. Aber die Klinge ist so rotglühend und scharf und deine Haut so gespannt, dass diese federleichte Berührung sie aufplatzen lässt, und ich glaube, auch das
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