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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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schwierig, ihn im Auge zu behalten wie Dariel früher.«
    »Soll ich sie rufen? Willst du, dass er absteigt?«
    Corinn schaute dem Treiben eine Weile zu, ehe sie antwortete. »Nein. Du hast recht. Sie ist zahm. Das sehe sogar ich.« Sie schlüpfte zur Seite, lehnte sich gegen eine Säule und versteckte sich halb dahinter. Mena gesellte sich zu ihrer Schwester, und gemeinsam schauten sie weiter zu.
    »Du sagst, man kann sie leicht verletzen?«, fragte Corinn.
    »Ihre Schwingen sind papierdünn. Sie sind erstaunlich. Man kann durch sie hindurchsehen. Wenn sie nicht so schnell heilen würde, hätte sie niemals überlebt. Aber sie heilt erstaunlich rasch. Und außerdem hat sie dafür gesorgt, dass auch meine Verletzungen viel schneller geheilt sind. Eigentlich müsste ich immer noch vollkommen zerschlagen sein. Aber ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie besser gefühlt.«
    »Du hast auch noch nie besser ausgesehen«, gab Corinn zu. »Du siehst aus wie ein Mädchen, das zum ersten Mal verliebt ist.«
    »Oh, danke Schwester. Letzte Nacht wollte ich das Gleiche zu dir sagen. Als du neben König Grae gesessen hast. Ihr habt ein wirklich schönes Paar abgegeben.«
    »Das hast du gedacht, bevor du vom Himmel gefallen bist?«
    »Genau.« Mena zog ganz leicht die Augenbrauen hoch und spitzte die Lippen. »Und?«
    Corinn ging auf das Angebot nicht ein. »Sag – könnte deine Elya militärisch von Nutzen sein?«
    »Mach keine Witze. Das meine ich ernst. Schau sie dir doch an. Sie ist so zart. Sicher, in ihr steckt auch Macht, aber ich würde niemals erlauben, dass sie in Gefahr gerät. Denk nicht einmal daran.«
    »Schon gut, schon gut. Ich musste fragen«, beschwichtigte Corinn. »Dann ist sie also ein Singvogel und kein Jagdfalke. Nun gut, eigentlich hat man das gestern Abend ganz deutlich daran gesehen, wie sie die Hände gehalten und mit den Wimpern geklimpert hat. Absurd.«
    Mena starrte ihre Schwester mit offenem Mund und hochgezogenen Mundwinkeln an. Es war lange her, dass Corinn etwas so Gutmütiges gesagt hatte. Eine Woge der Zuneigung zu ihrer Schwester überflutete sie. In gewisser Hinsicht war es schmerzlich, denn sie wusste, dass sie schon lange nicht mehr so für Corinn empfunden hatte, doch was spielte das für eine Rolle? Jetzt stand sie hier mit ihrer Schwester, und sie beobachteten gemeinsam heimlich ein Kind und einen Drachen. »Was könnte es Besseres geben?«
    »Was?«, fragte Corinn, doch Mena antwortete nicht.
    Als sie sich trennten, umarmte sie ihre Schwester ein paar Atemzüge länger, als die Förmlichkeit es verlangte. Corinn entzog sich ihr nicht und ließ sich auch keinerlei Unbehagen anmerken. Alles in allem betrachtet, waren es die schönsten Stunden, die Mena mit ihrer Schwester verbracht hatte seit … nun, sie konnte nicht sagen, seit wann. Es musste eine Zeit gegeben haben, als sie klein gewesen und gut miteinander ausgekommen waren, doch wenn es diese Zeit gegeben hatte, so konnte sie sich nicht mehr an sie erinnern. Vielleicht würden sie sich jetzt wieder näherkommen. Warum auch nicht? Die Übeldinge waren fort. Elya war gefunden worden. Aaden war gesund. Corinn war Königin, war so selbstbewusst, hatte so vieles im Griff. Dariel würde bald wieder zu Hause sein. Und wenn Melio mit dem Rest der heimkehrenden Jäger eintraf, würde sie ihre Hände über seinen Rücken und seinen Hintern gleiten lassen und ihn bitten, sie zu lieben. Und das würde er natürlich tun, auch wenn er sie überrascht ansehen, sein schiefes Lächeln aufsetzen und eine Möglichkeit finden würde, einen Witz zu machen; aber sie würde ihm den Mund mit Küssen verschließen.
    Fast war sie bereit, ihr Schwert für immer niederzulegen. Vielleicht war die Zeit gekommen, endlich das zu tun, was Melio sich schon so lange wünschte. Vielleicht war sie endlich bereit, eine Mutter zu sein, ein Kind großzuziehen und es friedliche Dinge zu lehren. Ja, sie hatte sich schon lange nicht mehr so gut gefühlt.

30

    Spionieren war mühsam und langwierig, und Delivegu schätzte diese Tätigkeit nicht sonderlich. Gewiss, es konnte sich als nutzbringend erweisen, als echter Segen manchmal. Doch sollte er dabei einmal in einem der weniger würdevollen Augenblicke erwischt werden, würde dies sein Ansehen schmälern. Schließlich gab er sich die allergrößte Mühe, stets gelassen zu wirken, immer Herr der Lage zu sein, immer mit einem Trunk, Spielkarten oder einer Frau bei der Hand: Delivegu, ein Mann mit wenig Sorgen, ein Mann,

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