Acacia 02 - Die fernen Lande
ihrer Gegenwart. Ich habe mich schon so lange nicht mehr gut gefühlt, ich weiß gar nicht mehr, wann ich mich das letzte Mal … einfach nur gefreut habe. Weißt du es?«
Sie war selbst überrascht von der Frage, und machte sie zu einem Haltepunkt statt einfach nur zu einem Teil ihres Vortrags. Dann betrachtete sie ihre Schwester noch ein wenig genauer, und ihr wurde klar, dass Corinn wahrscheinlich noch unzufriedener gewesen war als sie, schon länger und auf noch verschiedenere Art und Weise. Bisher war ihr das noch nie richtig klar geworden, jetzt jedoch war sie sich sicher.
Corinn antwortete nicht direkt auf ihre Frage. »Dieses Wesen ist absurd.«
Mena lächelte. Zumindest hatte Corinn das ohne Häme gesagt. »Vielleicht, aber wenn es so ist, dann mag ich eben absurde Dinge.« Sie lehnte sich in ihrem bequemen Sessel zurück. »Welcher Aspekt unseres Lebens war denn nicht absurd?«
»Was hast du mit dem Biest vor?«
»Sie wird bei mir bleiben. Zumindest so lange sie es will. Sie ist keine Last oder Gefahr. Sie isst Früchte. Einfach nur Früchte. Sie ist so leichtfüßig wie ein Vogel. Bald werden alle sie lieben.«
»Ich weiß nicht, ob ich das zulassen kann«, sagte Corinn. Sie stellte ihre Teetasse ab. »Ich meine, hier im Palast. Es könnte etwas passieren. Ich weiß, dass du dieses Biest magst, aber du hättest es töten sollen. Um diese Übeldinge und alles, was mit ihnen zu tun hat, für immer hinter dir zu lassen.«
Mena betrachtete die Schale mit Aprikosen, die neben ihr auf dem Tisch stand, und nahm sich eine. Dies war etwas, worüber sie nicht diskutieren wollte. Tatsächlich vermutete sie inzwischen, dass Elya trächtig sein könnte. Es gab keine eindeutigen Anzeichen, nur das Gefühl anderer Lebensimpulse in ihr. Möglicherweise irrte sie sich auch. Wie sollte Elya trächtig sein, wenn sie das einzige Wesen ihrer Art war? Doch es war auf alle Fälle besser, wenn sie die Möglichkeit als solche fürs Erste für sich behielt.
»Es wird nicht lange dauern«, sagte sie. »Wenn ich das nächste Mal nach Vumu reise, fliege ich mit ihr hin.« Sie biss in die Aprikose und schaffte es, gleichzeitig zu kauen und weiterzusprechen. »Ich habe beschlossen, dass ich das als Nächstes tun will: für einige Zeit nach Vumu gehen. Ich würde gerne wieder die Priesterin sein. Aber dieses Mal werde ich ihnen eine friedliche Maeben zeigen. Ich werde sie auffordern, ohne Furcht zum Himmel emporzuschauen. Sie werden aufschauen und werden Elya sehen, und sie werden sich wenigstens einmal sicher fühlen. Dieses Geschenk würde ich ihnen gerne machen; sie haben mir in meiner Zeit dort so viel gegeben. Die Menschen werden es wunderbar finden; den Priester wird es verhasst sein. Perfekt.«
»Perfekt? Wohl kaum. Von mir aus kannst du von deinem Lieblingstier schwärmen, aber vergiss nicht, dass es ein Übelding ist. Es ist verdorben. Wer weiß, was …«
»Bitte, Corinn. Sie ist nicht verdorben. Ich bin diejenige, die ein Ungeheuer nach dem anderen zur Strecke gebracht hat. Ich weiß, was schlecht ist. Elya hat keinen einzigen Tropfen schlechtes Blut in sich. Sie ist Schönheit, Corinn. Sanftmut und Humor und Schönheit. Komm. Komm gleich mit und sieh sie dir an.«
Corinn blieb hinter Mena zurück, als sie deren Gemächer betraten. Sie reckte den Hals und war ganz offensichtlich nervös. Doch das blieb nicht lange so. Elya – die grimmige geflügelte Kreatur, die Adlige in die Flucht geschlagen und die Wachen dazu gebracht hatte, nach ihren Schwertern zu tasten – marschierte auf die Anweisungen eines Kindes hin auf dem Vorhof herum. Aaden saß in der Sattelmulde ihrer Schultern, fuchtelte mit einem hölzernen Schwert herum und drängte die Vogelechse anzugreifen. Elya tat wie geheißen, doch ihr Angriff ging ziemlich vorsichtig vonstatten, als sie sich zwischen den Stühlen und Tischen einer Sitzecke hindurchmanövrierte. Sie reckte den Hals hierhin und dorthin, um sich zu vergewissern, dass sie nichts streifte; ihr Schwanz schlug kunstvolle Kreise und berührte gelegentlich Gegenstände, als wolle er ihnen Halt geben.
Zwei Zofen standen beklommen nicht weit entfernt, ebenso wie einer der Hauslehrer des Prinzen. Offensichtlich hatten sie den Jungen angefleht, von Elya abzulassen, jetzt jedoch standen sie herum, ebenso neugierig wie ängstlich.
»Ich habe nicht gewusst, dass er hier ist«, sagte Mena. Sie flüsterte beinahe. »Ich habe es wirklich nicht gewusst.«
»Aaden entgeht kaum etwas. Es ist genauso
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