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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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hätte das gesagt – damals, als wir noch klein waren.« Sie schlug einen barschen Tonfall an: »›Was hat das zu bedeuten, junge Dame?‹ Wir hätten so gelacht, dass er fluchtartig das Zimmer verlassen hätte.«
    »Hast du den Verstand verloren?«
    »Nein, überhaupt nicht«, sagte Mena. »Ganz im Gegenteil. Ich habe ein bisschen Verstand hinzugewonnen. Corinn, ich wollte mich nicht auf deinem Fest in den Vordergrund drängen. Ich wollte nur, dass die Leute Elya sehen, bevor sie Geschichten über sie hören. Sie sollten sie einfach nur mit eigenen Augen sehen und erkennen, wie sanftmütig sie ist. Mittlerweile hat vermutlich das halbe Reich von ihr gehört, und darüber bin ich froh. Ich will, dass sie hier sicher ist. Ich will, dass jeder Dummkopf mit einem Bogen oder irgendwelchen Wahnvorstellungen davon, wie großartig es wäre, ein Drachentöter zu sein, weiß, dass sie keine Zielscheibe ist. Sie steht unter dem Schutz von – nun, unter dem Schutz der Königin von Acacia, richtig? Jetzt sag bloß, du findest sie nicht entzückend. Du musst kommen und sie dir ansehen. Sie hat heute Nacht im Innenhof vor meinen Gemächern geschlafen. Es ist so komisch, sie hier zu sehen, neben all dem Kram, der so zu einem Haushalt gehört. Du hättest sehen sollen, wie sie reagiert hat, als sie das erste Mal einen Spiegel zu Gesicht bekommen hat …«
    »Du plapperst Unsinn.« Corinns Groll war ein wenig in Richtung Ratlosigkeit gerutscht. »Was ist das für ein Biest?«
    »Dieses Biest ist meine gute Freundin. Ihr darf nichts passieren. Nichts . Das musst du bekanntgeben. Ein königliches Dekret. Lass es alle wissen.« Corinn setzte zu einem Protest an, doch Mena beruhigte sie mit ernstem Unterton. »Wir haben das ganz falsch angefangen. Setz dich zu mir. Lass mich dir das Ganze von Anfang an erklären, und dann komm mit und lerne sie kennen. Ich meine richtig, nicht wie letzte Nacht mit dem ganzen Durcheinander.«
    Zu Menas Erleichterung behielt Corinn ihre finstere Miene mit den zusammengepressten Lippen nur ein paar Sekunden länger bei. Dann rief sie nach einer Kanne Tee und setzte sich ihrer Schwester gegenüber, während eine Dienerin das Gewünschte brachte. Nachdem die Dienstmagd wieder gegangen war und die beiden vor ihren dampfenden Tassen saßen, begann Mena mit ihrer Geschichte.
    Sie erzählte sie genauso, wie sie sie in Erinnerung hatte. Corinn war die ganze Zeit über die Jagd auf die Übeldinge auf dem Laufenden gehalten worden, aber Berichte waren trockene Texte ohne Gefühle. Doch um genau diese Gefühle ging es Mena jetzt; sie wollte, dass ihre Schwester sie verstand. Sie wollte, dass Corinn begriff, wie schwer es für sie gewesen war, die Ungeheuer ausfindig zu machen und ihre ganze Verdorbenheit zu sehen und sie dann eines nach dem anderen zu töten. Sie mochte erstaunlich gut darin gewesen sein. Sie mochte Risiken auf sich genommen und tödliche Hiebe ausgeteilt haben, wenn auch andere das bereitwillig an ihrer Stelle getan hätten, doch das alles bedeutete nicht, dass es leicht, befriedigend, unterhaltsam, aufregend oder dergleichen gewesen wäre. Ganz im Gegenteil. Die Tatsache, dass sie eine natürliche Begabung für das Töten hatte, war für sie eine schwere Bürde.
    »Wir alle müssen Bürden tragen«, sagte Corinn. »Du zweifelst doch nicht daran, dass das, was du getan hast, richtig war, oder?«
    Nein, das tat Mena nicht. Sie beschrieb die aufgedunsenen Geier und die Kreaturen, die auf Nahrungssuche gewesen waren: den Löwen mit den Augen auf dem Rücken, die Schlangen mit Beinen, die Monstrosität, die einst ein Fisch gewesen, dann aber zu einem gefräßigen Maul geworden war. Die Tenten-Bestie, sagte sie, habe sie mit einer Böswilligkeit angestarrt, die sich von der eines einfachen Tieres unterschieden hatte. Nicht nur ihre Größe und Gestalt hatte sich geändert, sondern auch ihr Verstand.
    »Die Sprache des Schöpfers ist ein Übel«, sagte sie. »Alle ihre Spuren müssen ausgelöscht werden.«
    »Du irrst dich«, widersprach Corinn. »Nicht die Sprache des Schöpfers ist von übel, sondern die Verfälschungen der Santoth. Es gab Gründe, warum sie verbannt wurden, Mena, und die Jahre im Exil haben nichts weiter bewirkt, als dass sie zu gefährlichen Ungeheuern geworden sind. Wenn sie die Übeldinge gemacht haben, dann deswegen, weil sie selbst schlecht sind. Aber denk daran – wenn auch nur eine der Geschichten über den Schöpfer wahr ist, dann fängt alles damit an, dass er die Erde

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