Acacia 02 - Die fernen Lande
war ziemlich dunkel, aber Delivegus Augen hatten sich an das schwache Licht der Sterne gewöhnt, so dass er den jungen Mann dennoch ausmachen konnte. Er trug einen Kapuzenumhang im aushenischen Stil. Delivegu hatte solche Mäntel schon öfter gesehen und fand sie nicht sonderlich modisch. Die Aushenier hielten sich immer noch für Jäger, die durch die Wälder und die Marschen streiften. Warum mussten Kulturen immer die Vergangenheit mythologisieren? Wirklich albern, wo doch die immer näher rückende Zukunft viel wichtiger war.
Doch er durfte sich nicht ablenken lassen. Was hier auffiel, war die Tatsache, dass der Mann einen Umhang trug, obwohl die Nacht warm war. Außerdem schritt er nervös dahin und sah sich andauernd um, als fürchtete er, entdeckt zu werden. Hier war etwas Heimliches im Gange. Lautlos wie eine Katze in seinen Lederstiefeln mit den Fellsohlen folgte Delivegu dem Mann durch das Fremdenviertel, durch das offene Tor hinaus und hügelabwärts auf die Terrassen zu, über die Marktplätze und um den großen Platz herum, auf dem sich ein paar Tagelöhner versammelten, weil sie hofften, sich bei Anbruch der Morgendämmerung Arbeit beschaffen zu können. Der Marsch dauerte kaum mehr als zwanzig Minuten, doch als er zu Ende war, witterte Delivegu, dass sein Schicksal sich gewandelt hatte.
Der Mann im Kapuzenumhang stattete einem niederen Botendienst einen frühen Besuch ab – so früh, dass er einige Zeit an die Tür klopfen musste. Schließlich wurde er eingelassen. Delivegu bezog ein Stück weiter die Straße hinunter Posten. Dort wartete er, bis der Mann wieder auftauchte. Er wirkte immer noch genauso nervös wie zuvor und eilte den Weg zurück, den er gekommen war. Nachdem Delivegu alle Möglichkeiten gegeneinander abgewogen hatte, beschloss er, ebenfalls den Botendienst aufzusuchen, anstatt dem Mann weiter zu folgen.
Er betrat den Raum in lässiger Haltung und ließ die Türglocke seinen Eintritt durch fröhliches Klimpern anzeigen. Der Raum war schmutzig, voller Kisten und roch streng nach Vogelmist. Ein paar Käfige standen herum, groß genug für Botenvögel. Die meisten waren leer; die wenigen, die es nicht waren, beherbergten ungesunde Geschöpfe mit zerrupftem, räudigem Gefieder. Nicht die Art von Botendienst, dessen ein König – oder auch nur der Diener eines Königs – sich bedienen müsste.
Der Besitzer kam aus dem Hinterzimmer, er sah verschlafen und mürrisch aus. »Ich habe noch nicht geöffnet«, knurrte er und musterte Delivegu misstrauisch. »Eigentlich hätte die Tür verschlossen sein müssen. Raus mit Euch, kommt ein bisschen später wieder.«
»Oh, aber du musst geöffnet haben. Ich habe gerade eben einen Kunden gehen sehen.«
»Den Dreckskerl? Er hat mich aus dem Schlaf gerissen. Hätte ihm dafür beinahe den Schädel eingeschlagen. Verschwindet, bevor ich Euch gebe, was ich ihm hätte verpassen sollen.« Der Mann war kleiner als Delivegu, um die Mitte herum ein bisschen gepolstert, und er hinkte; doch er trat mit barschem Selbstvertrauen vorwärts und streckte die Hände aus, um den unwillkommenen Besucher hinauszuschieben.
»Immer mit der Ruhe!« Delivegus Stimme klang scharf und drohend. »Sei vorsichtig, wen du anfasst, mein Freund. Dies könnte ein guter Morgen für dich sein, er könnte aber auch sehr unangenehm werden.«
Der Mann erstarrte. Selbst als er die zum Zupacken bereiten Arme zurückzog, stand er unangenehm dicht vor Delivegu, da sein Schwung ihn einen Schritt zu weit getragen hatte. Er schaute zu ihm auf und sagte: »Ich mag keine Drohungen.«
Delivegu lächelte und trat einen halben Schritt zurück. »Nun, dann hör einfach keine in dem, was ich gesagt habe. Das ist auch nicht nötig, wenn du vernünftig bist.«
»Na schön, was wollt Ihr? Eine Botschaft verschicken, ja? Nur kann die im Moment nicht rausgehen. Ich hab keinen Vogel dafür.«
Delivegu runzelte die Stirn. »Männer wie du verwirren mich. Du bist ein Geschäftsmann, und trotzdem gehst du so schroff mit jemandem um, der nach allem, was du weißt, gekommen ist, um dir ein richtig gutes Geschäft anzubieten.«
»Ha!«, sagte der Mann. »Ich mache das jetzt schon eine ganze Weile, und so etwas ist noch nie passiert. Ich warte auch gar nicht darauf. Um was für ein Geschäft geht’s denn?«
»Das Geschäft, mein Freund, hat etwas mit dem Mann zu tun, der vor mir hier war.«
Der Besitzer wich argwöhnisch ein paar Schritte zurück und ließ Delivegu dabei nicht aus den Augen. »Der?
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