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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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beständiger. Sie schien freier über ihre Zeit verfügen zu können als die anderen. Die meisten konnten sich nur ein paar Stunden pro Tag von den Pflichten davonstehlen, die ihre Herren ihnen auferlegten.
    Geschichte, Religion, Mythologie, die alten Sagen, Geographie, Nationen und Völker, Anführer, Geschlechter und Fehden und Bündnisse, die Formen, Hanish Mein und die Santoth und Aliver: Sie wollten alles wissen. Skylene zwang ihn, die verschiedenen Themen so gut zu ordnen, wie es ihm nur möglich war. Schon bald verbrachten mehrere Schreiber die Zeit mit ihm und schrieben jeder auf mehreren Pergamentrollen und widmeten sich jeweils unterschiedlichen Themen. Er sprang von einem zum anderen, berichtete, was ihm gerade in den Sinn kam oder was Skylene von ihm wissen wollte.
    Auch Tunnel besuchte ihn regelmäßig. Er befragte ihn nicht, obwohl Dariel annahm, dass er das eigentlich hätte tun sollen. Der große Mann zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zu ihm, so nahe, dass Dariel das duftende Öl riechen konnte, das in seinen ledernen Rock und die langen Riemen seiner Sandalen eingearbeitet worden war. Er scherzte mit Dariel, lächelte und lachte aus dem geringsten Anlass. Skylene behandelte ihn anständig, Tunnel jedoch war der Einzige aus dem Volk, der Dariel wie einem Freund begegnete, der von einer langen Reise zurückgekehrt war. Anscheinend hatten sie sich einfach eine Menge zu erzählen.
    Dariel hätte sich niemals vorstellen können, dass sein Leben einmal so sein würde. Es war eigentümlich, weil ein Teil von ihm sich dabei merkwürdig wohl fühlte, abgesehen von den Augenblicken voller Panik, wenn ihm seine Situation voll bewusst wurde. Ein Teil von ihm hatte auf das hier gewartet, hatte es so gewollt. Und jetzt wartete er sehnsüchtig darauf, wo es wohl hinführen würde.
    »Skylene«, sagte Dariel, als eine weitere Sitzung voller Fragen beginnen sollte, »weißt du, ob es eine Möglichkeit gibt, eine Nachricht in mein Land zu schicken?«
    Die Frau starrte ihn an, die dünnen Lippen argwöhnisch geschürzt. Sie hatte gerade das Zimmer betreten, in dem er allein wartete. Ihre Erscheinung war so bemerkenswert wie immer, doch ihre fahlblaue Haut und die Vogelfedern kamen ihm längst nicht mehr bizarr vor. In Dariels Augen waren sie nun ein Teil von ihr. Merkwürdig, dass er sich so schnell an sie gewöhnt hatte. »Was für eine Nachricht?«, fragte sie.
    »Einfach nur etwas, das meine Leuten wissen lässt, dass ich am Leben bin. Ich weiß nicht, was die Gilde ihnen erzählt hat. Wenn sie glauben, dass ich tot bin, könnte das alle möglichen Probleme verursachen, und ich weiß nicht, wo das hinführen könnte. Wenn meine Schwester annimmt, dass ich tot bin – oder herausfindet, dass ich hier gefangen gehalten werde – könnte es sein, dass sie eine Armee schickt, um mich zu rächen oder Krieg gegen die Auldek zu führen.«
    »Das halte ich für unwahrscheinlich«, meinte Skylene.
    Dariel musterte sie. »Warum?«
    Skylene dachte kurz nach, dann atmete sie aus und schüttelte betrübt den Kopf. »Das spielt keine Rolle, Dariel. Was immer geschehen wird, wird geschehen. Wir können es nicht ändern. Zumindest jetzt noch nicht. Es ist nicht möglich, eine Nachricht zu schicken. Das haben wir in zweiundzwanzig Generationen niemals geschafft. Wie kommst du auf die Idee, dass es uns jetzt gelingen könnte?«
    »Dann eben die Gilde. Es ist gut möglich, dass sie noch vor der Küste sind. Können wir ihnen vielleicht …«
    »Eine Nachricht schicken?«, unterbrach ihn Skylene. »Sei doch nicht dumm. Die einzige Nachricht, die deine Schwester bekommen wird, wird eine sein, die sie sich ausgedacht haben. Wirklich, Dariel, was sie betrifft, haben wir keine Macht. Außerdem würde Mór niemals erlauben, Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Sie sind unsere Feinde, erinnerst du dich? Du hast doch hoffentlich nicht vergessen, dass sie dich Devoth angeboten haben, oder?«
    Nein, das hatte Dariel ganz bestimmt nicht vergessen. Tatsächlich hatte er mehr als einmal von jenem chaotischen Nachmittag geträumt. »Weißt du, früher hatte ich einmal Macht über die Gilde.«
    Es klopfte an der Tür. Einen Augenblick später betraten die beiden Schreiber den Raum: die eine mit Shivith-Flecken auf einer Seite ihres Gesichts, der andere mit einem Kamm schwarzer Haare, die ihm aus dem Hinterkopf wuchsen.
    Skylene bedeutete den beiden Neuankömmlingen mit einer knappen Geste, ihre Plätze einzunehmen und ihre Schreibutensilien

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