Acacia 02 - Die fernen Lande
bereit zu machen. »Das bezweifle ich«, antwortete sie.
»Ich habe gegen sie Krieg geführt. Und viele von ihnen getötet.«
»Das mag sein, aber das bedeutet nicht, dass du Macht über sie hattest. Ja, ich weiß, du hast ihre Plattformen in die Luft gejagt; davon hast du schon ausführlich erzählt. Das mag ihnen wehgetan haben. Vielleicht haben sie dich auch deshalb so sehr gehasst, dass sie dich Devoth geben wollten, aber du kannst doch nicht wirklich glauben, dass du sie in die Knie gezwungen hättest. Lass mich dir eines über die Gilde sagen: Sie haben jedem von uns unmissverständlich klargemacht, dass ihr Akarans für sie nichts weiter seid als Figuren auf einem Spielbrett. Sobald sie uns Quotenkinder an Bord ihrer Schiffe haben und gen Westen segeln, verheimlichen sie nicht mehr, dass sie die wahre Macht der Bekannten Welt sind. Und bevor die Lothan Aklun ausgelöscht wurden, haben die euch genauso abgetan. Ihr wart zwar ihre Kunden, aber ihr wart dumme Kunden, unwissend, abhängig, leicht zu täuschen und auszubeuten. Was uns angeht … viele Mitglieder des Volkes hassen die Akarans und sind der Ansicht, dass ihr für unsere Sklaverei verantwortlich seid, aber es gibt auch etliche, die sagen, dass dein Volk zu armselig ist, um unseren Hass zu verdienen. Niemand von uns glaubt, dass ihr wirklich begreift, wie es auf der Welt zugeht.«
»Und du? Was meinst du?«
Skylene antwortete, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern. »Bei den Kern – meinem Clan – gibt es ein Sprichwort: ›Die Wahrheit ist ein weißer Kranich mit vielen Köpfen, aber nur einem Körper.‹ Wenn sie sich aufregen, fressen die Köpfe einander, bis nur noch ein einziger übrig bleibt.«
»Und diese eine Wahrheit obsiegt?«
»Nein. Der eine Kopf kann nicht allein leben – nicht wenn er Teil eines Körpers ist, der mehrfach enthauptet wurde. Es ist zwar eine Wahrheit übrig, aber sie stirbt, wenn der Körper, der sie mit den anderen Wahrheiten verbunden hat, zugrunde geht.«
Dariel runzelte skeptisch die Stirn. »Ihr seid ein düsteres Volk.«
Skylene zuckte die Schultern. »Die Wahrheit überlagert sich. Sie widerspricht sich. Aber in vielerlei Hinsicht sind viele Dinge wahr. Deshalb denke ich ein bisschen von allem über dich und dein Volk.«
»Wenn das stimmt, dann bin ich überrascht, dass du überhaupt mit mir sprichst. Wenn mein Volk so armselig ist, welchen Nutzen haben wir dann?«
Diese Worte ließen sie innehalten, um nachzudenken. »Die Gilde hat euch benutzt. Die Lothan Aklun haben euch benutzt. Die Auldek haben euch benutzt. Vielleicht können auch wir einen Nutzen aus euch und dem ziehen, was du uns mitteilst. Zumindest glauben das die Ältesten. Und außerdem hast du es selbst vorgeschlagen.«
Dariel musste fragen, er hatte das Gefühl, dass die Frage eine viel größere Tragweite hatte, als vernünftig gewesen wäre. »Glaubt Mór das auch?«
Ein Lächeln zeigte sich in Skylenes Mundwinkeln, doch noch bevor es ganz Gestalt angenommen hatte, verzerrte sie es zu einer Art spöttischem Grinsen. »Du willst bestimmt nicht wissen, was wir Mórs Ansicht nach mit dir machen sollten, glaub mir.« Ihr Tonfall veränderte sich, wurde knapper und förmlicher. »Wir haben genug geredet. Lass uns anfangen. Du wolltest uns von den die schwimmenden Händlern erzählen.«
Dieses Thema schien so weit weg zu sein, es wirkte unwirklich in diesem unterirdischen Dasein. Er fing damit an zu erklären, was er über die Kaufleute wusste. Darüber, wie die Strömungen im Innenmeer zu unterschiedlichen Jahreszeiten verliefen, wie ihre Veränderungen es den großen Barken – die eigentlich richtige Städte waren – ermöglichten, einen kreisförmigen Kurs zu nehmen, der sie bis zum Vumu-Archipel führte. Das Reich mischte sich kaum in ihre Angelegenheiten ein und überließ sie größtenteils sich selbst. Tatsächlich waren es die Kaufmannsfamilien von Bocoum, die sie mit einem inoffiziellen, regierungsähnlichen Arrangement zusammenhielten. Obwohl ihr Handel keine Ausmaße annahm, der der Gilde Konkurrenz gemacht hätte, waren sie für den Strom von Waren, der das Reich gedeihen ließ, von grundsätzlicher Bedeutung.
Während er sprach, tauchten Bilder in seinem Kopf auf. Anfangs dachte er, es wären einfach nur Veranschaulichungen, die ihm halfen, sich an das alles zu erinnern, dann jedoch wurde ihm klar, dass die Bilder persönlicher waren. Er hatte es vergessen, aber er hatte die schwimmenden Händler als kleiner Junge
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