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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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und sie betrachtete, fielen ihm noch andere Dinge auf. Die Dornen waren gefährlich lang. Die Blätter sahen merkwürdig aus, auf der einen Seite grün, auf der anderen stumpfgrau; sie hatten keine Äderchen und waren so glatt wie Papier. Die Äste wiesen nicht den natürlichen Schwung der meisten Akazien auf. Stattdessen waren sie gebogen wie die Gelenke vom Alter verkrümmter Finger mit dick aufgetriebenen Knöcheln. Obwohl er eine Bemerkung über die Bäume gemacht hatte – gleich als er sie gesehen hatte –, wünschte er sich mehr und mehr, sie wären wieder unterwegs, je länger er neben ihnen saß. Shen, dachte er bei sich, sollte sie sich nicht zu genau betrachten.
    Am nächsten Tag kamen sie in ein üppiges Tal voller Bäume und Wiesen mit hohem Gras. In den flachen Bereichen gab es sumpfige Teiche, die durch ein Netzwerk kleiner Bäche miteinander verbunden waren. Es war beklemmend still, nur das Glucksen des Wassers war zu hören. Das war alles. Keine Insekten, keine Tierlaute. Kein Anzeichen von Leben. Unnatürlich.
    Kaum hatte er diesen Gedanken geformt, schrie Shen auf, als wolle sie ihn widerlegen: »Seht nur – Vögel!«
    Ein Schwarm kam in ihrem Rücken herangeflogen, Tausende von Vögeln, eine Masse aus schwarzen Pfeilen, die durch die Luft schossen und in den Himmel aufstiegen. Sie wendeten wie ein einziges Wesen und malten einen groben Kreis in die Luft über ihnen. Dabei bewegten sie sich schneller als alle anderen Vögel, die Kelis jemals gesehen hatte; ihre Flügel waren eng an den Seiten angelegt, und soweit er es erkennen konnte, schlugen sie nicht ein einziges Mal damit. Sie schienen in großer Eile zu sein, denn binnen weniger Augenblicke jagten sie lautlos davon und verschwanden hinter dem Berghang auf der anderen Seite des Tals.
    »Kommt!« Shen zerrte ihre Mutter weiter. »Wir sollen ihnen folgen.«
    Während sie das Tal durchquerten und den nächsten Hang hinaufstiegen, hatte Kelis das überaus deutliche Gefühl, dass die Berge um sie herum sich bewegten. Das Tempo ihrer Schritte passte nicht zu der Geschwindigkeit, mit der selbst die fernen Gipfel hinter ihnen verschwanden. Er blieb sogar stehen, um zurückzuschauen, und es fühlte sich an, als würde er sich immer noch weiterbewegen. Doch es war nur ein Gefühl, kein wirklicher Beweis, dass irgendetwas verkehrt war. Er ließ den Blick hin und her schweifen, als könne er die Berge bei ihrer Wanderung erwischen und sie dadurch beschämen. Es gelang ihm nie.
    Als er sich wieder zu den anderen gesellte, sah er, dass sie etwas auf dem Boden betrachteten: einen Vogel, schwarz wie ein Rabe, aber mit dem kleinen Körper und dem zarten Schnabel eines Insektenfresser. Er war tot, hatte sich – offensichtlich durch den Aufprall – das Genick gebrochen. Benabe sagte zu Shen, sie solle ihn auf keinen Fall anfassen, aber das Mädchen schien das auch gar nicht zu beabsichtigen. Sie standen alle eine Weile da und starrten das Tier an. Nicht zu lange, denn je länger sie ihn anschauten, desto weniger schien der Vogel wie ein Vogel auszusehen. Kelis war sich sicher, dass seine Flügel in ihrer Position starr waren, so steif wie die Gleiter, die er als Junge aus Holz geschnitzt hatte. Die Augen waren blau, hatten genau dieselbe Farbe wie der Himmel und hoben sich überdeutlich vom toten Schwarz des Gefieders ab.
    Es war nur der erste. Als sie an diesem Tag weitergingen – und auch am nächsten und am übernächsten und mehreren darauf folgenden –, lagen mehr und mehr zerschmetterte Vogelkörper auf dem Boden und den Felsen und den Hängen rings um sie herum. Gelegentlich kamen neue Schwärme von hinten heran und schossen auf ihrem Weg vorwärts über sie hinweg. Jedes Tal brachte neue tote Vögel, und jeden Morgen schienen die Schwärme ein bisschen kleiner und weniger kraftvoll zu sein als der erste. Kelis wusste, dass es keine echten Vögel waren. Sie waren Zauberei, wie alles in diesen Bergen, schön, aber missgestaltet.
    Es mochte an der Fremdartigkeit dieser Gebirgslandschaft liegen, an der Anstrengung der täglichen Märsche oder an den Auswirkungen der Magie, die so offensichtlich in die Welt um sie herum eingewoben war, doch Kelis stellte fest, dass seine Träume immer lebhafter wurden, kristallklar wie schon weit vielen Jahren nicht mehr. Oft durchlebte er noch einmal Episoden der letzten Tage, die in irgendeiner Hinsicht verändert waren. Und so reichte der Marsch, der seine Tage ausfüllte, bis in seinen Schlaf hinein. In einem

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