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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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hatte es anmutig gefunden und angefangen, ihm auf die gleiche Weise zu antworten.
    Doch das war nur ein Traum gewesen. Im richtigen Leben hatte sie das Unterkleid nicht getragen. Und das Angebot nicht gemacht. Während sie nach ihrer Unterredung mit Barad in ihrem Arbeitszimmer saß, führte sie sich diese Tatsachen immer wieder vor Augen, um sich zu vergewissern. Nein, sie hatte dem Aushenier nichts weiter als großzügige Gastfreundschaft gewährt. Sie war großzügiger als üblich mit ihrer Zeit umgegangen, hatte vielleicht zu schnell gelacht und unbedacht vertraulich mit ihm gesprochen. Aber nicht mehr als das. Sie war so dankbar dafür, dass sie sich die Fingernägel an die Stirn legte und drückte und dem Schöpfer dankte, dass er sie zumindest so viel Zurückhaltung hatte üben lassen.
    Als Rhrenna das Zimmer betrat, das Gesicht so blass und verzerrt wie Bienenwachs, das in der Sonne weich geworden war, wusste Corinn bereits, was sie sagen würde. Ihre Vertraute bestätigte es knapp. Grae hatte beinahe seine Zunge verschluckt, als er Barad gesehen hatte. Obwohl Rhrenna ihm ganz unschuldig erzählt hatte, was da gerade geschah und ihm gegenüber nicht das geringste Misstrauen gezeigt hatte, hatte Grae gestammelt und sogar ein bisschen gezittert. Schweißtropfen waren auf seiner Stirn erschienen, und sein Versuch, ein gleichgültiges Gesicht zu machen, war ganz eindeutig erzwungen gewesen.
    »Ich kann nicht glauben, dass das alles nur gespielt war«, sagte Rhrenna, »aber so ist es. Er hat Euch verschmäht …«
    »Hier geht es nicht darum, verschmäht worden zu sein«, unterbrach Corinn sie. Die Worte kamen ihr über die Lippen, ehe sie wusste, dass sie sie sagen würde, aber sie waren wahr. Verschmäht zu werden war etwas für geringere Menschen als sie. »Es geht darum, ein Reich zu regieren«, sagte sie, und dann gab sie neue Befehle.

33

    »Sie kann diese Berge nicht erklimmen«, sagte Naamen. »Das ist vollkommen ausgeschlossen.«
    »Ich kann sie tragen«, antwortete Kelis.
    Der jüngere Mann nahm die Knöchelwurzel, an der er herumgelutscht hatte, aus dem Mundwinkel. Er war verärgert. »Ich auch! Und das werde ich auch tun! Aber trotzdem – wenn wir vor Erschöpfung zusammenbrechen, ist sie auch nicht besser dran.«
    Kelis antwortete lediglich mit einem scharfen Grunzen und marschierte mit hochgerecktem Kinn weiter. Innerlich fürchtete er genau dasselbe. Sie waren mehrere Tage lang auf die Gipfel zugestapft, die immer gewaltiger wurden, je näher sie kamen. Sie sahen trügerisch aus, auf eine Art und Weise kolossal, dass er jedes Mal, wenn er sie ansah, aufs Neue überrascht war. Sie schienen anzuschwellen, wenn seine Blicke sie berührten, als würden sie einatmen und die Brust herausdrücken, um größer zu erscheinen. Auch die Art, wie das Licht auf ihnen spielte, wirkte irgendwie unnatürlich, während die Sonne weiterwanderte. Manchmal waren die oberen Regionen der Berge schneebestäubt. Dann wieder sah es so aus, als zöge sich üppige Vegetation bis hinauf zu den Gipfeln. Gelegentlich blieb er stehen, überzeugt, dass er sich unüberwindlichen Klippen aus nacktem schwarzem Fels gegenübersah.
    Obwohl er sich äußerlich nichts anmerken ließ, hoffte er halb, Benabe würde stehen bleiben und erklären, dass sie und Shen keinen Schritt weitergehen würden. Wenn sie das tat – was konnte er dann anderes tun, als sich zu fügen? Wenn es um das Wohlergehen ihrer Töchter ging, hatte eine talayische Mutter das letzte Wort. Shen mochte zwar eine Prinzessin sein, aber sie war auch ein kleines Mädchen. Selbst wenn Aliver noch am Leben gewesen wäre, hätte Benabe als ihre Beschützerin den Ton angegeben.
    Aber Benabe rief nicht, dass sie stehen bleiben sollten. Ihr Gesicht war auf seine eigene Weise genauso wandelbar wie die merkwürdige Bergkette. Sie ist stark, dachte Kelis mehr als einmal. Ihre Kraft ist größer als ihre Angst vor der Zukunft.
    An dem Abend, ehe sie in die Berge vordringen würden, suchte Benabe seine Nähe. Sie setzte sich neben ihn und starrte das Gebirgsmassiv vor ihnen an, das direkt vor ihnen war – so nah, dass sie einen Stein zu den ersten Ausläufern hätte hinüberwerfen können. Ihre Tochter hatte ihr am Abend zuvor die Haare gekämmt und geflochten; die Zöpfe lagen dicht an ihrer Kopfhaut an, waren staubig vom trockenen Boden und glänzten an einigen Stellen golden. »Ich hasse diese Berge«, sagte sie. »Sie sind nicht richtig. Sie sind nicht echt.«
    Kelis legte

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