Acacia 02 - Die fernen Lande
ihnen gemein! Das hatte er gesagt, doch es war niemals richtig durchgedrungen. Eine Wache hatte sogar Rialus’ Schädel zusammengedrückt und etwas über seine Eiform gesagt – und dann gelacht, als Rialus sich ereifert und darauf bestanden hatte, dass nichts, aber auch gar nichts Gildenähnliches an seiner Kopfform sei.
Flüche und Schreie hallten wütend durch Rialus’ Gedanken, doch er musste seine Klagen hinunterschlucken und antworten: »Ihr seid überaus … freundlich gewesen.«
Devoth schien erfreut, das zu hören. Er sah die anderen hochrangigen Auldek an, die in der Nähe saßen, um sich zu vergewissern, dass sie Rialus’ Antwort auch mitbekamen. Mit Ausnahme von Calrach, dessen Sohn Allek und Calrachs Halbbruder Mulat gehörten sie alle zu seinem Clan. Die Tatsache, dass es den Numrek gestattet worden war, bei Devoths Leuten zu sitzen, war eine beträchtliche Ehre. Vor allem Allek zog die Blicke auf sich und sorgte für Geflüster, wo immer er auftauchte. Hätte Rialus nicht den Grund gekannt, warum die Auldek so erstaunt waren, hätte er den Jungen für einen lange verschollenen Prinzen halten können. Doch er war mehr als das: Für ein Volk, das seit Hunderten von Jahren kein Kind seiner Rasse mehr gesehen hatte, war er schlicht ein Wunder. Calrach, der stets klüger war, als Rialus es erwartete, hatte genau gewusst, was er tat, als er ihn mitgebracht hatte.
Allek, der in der Reihe vor Rialus und Devoth saß, drehte sich um und stupste Rialus’ Bein an. »Sag die Wahrheit, Neptos. Welches Volk ist reicher: die Acacier oder die Auldek? Ich weiß, was ich sagen würde, aber was ist mit dir?«
In Rialus wallte kurz das dringende Bedürfnis auf, dem Jungen ins grinsende Gesicht zu treten, doch er antwortete ihm ruhig. Genau genommen hatte er eine solche Frage längst erwartet, schließlich wusste er, wie viel Spaß es den Numrek zu machen schien, ihn öffentlich zu verspotten. »Das kann ich nicht beantworten. Ich habe den größten Teil der Bekannten Welt gesehen, die weit und reich und wundersam ist, aber ich habe nur sehr wenig von Ushen Brae gesehen – bis jetzt nur Avina.«
»Und was hältst du von der Stadt?«, drängte Allek.
»Sie ist sehr beeindruckend«, gab Rialus zu. »Zumindest das, was ich gesehen habe …«
»Was du gesehen hast?«, unterbrach ihn Mulat. Er hatte gerade in ein Stück gebratenes Schweinefleisch gebissen, das er sich von einem der Teller genommen hatte, die gelegentlich von Hand zu Hand weitergereicht wurden. Dass er jetzt kaute, hinderte ihn nicht am Sprechen. »Was du gesehen hast, ist weniger als nichts. Es ist nicht mehr als ein Scheibchen. Avina erstreckt sich dreißig Meilen entlang der Küste. Dreißig Meilen Stadt, mit Palästen und Stadien und Monumenten; in deinen Landen gibt es nichts, das dem gleichkommt.«
Devoth schien die Überheblichkeit des Numrek nicht zu gefallen. Doch er ging nicht darauf ein, sondern lächelte stattdessen Rialus an. »Du wirst mehr sehen, Rialus Gildenmann. Viele große Dinge. Du bist unser Gast, du wirst die Dinge sehen, die uns groß machen. Wir werden dich immer gut behandeln, jetzt und in Zukunft. Dessen kannst du sicher sein. Glaubst du mir?«
Er muss es wirklich auf die Spitze treiben, was?, dachte Rialus. Das taten sie immer. Das war etwas, worin sich die Auldek nicht sonderlich von ihren Numrek-Verwandten unterschieden.
»Ja, natürlich«, setzte Rialus an, doch dann verstummte er, unsicher, wie er seine Gefühle ausdrücken sollte. Was war er? Dankbar, am Leben zu sein? Begeistert, mit angesehen zu haben, wie alle, mit denen er die Grauen Hänge überquert hatte, abgeschlachtet worden waren? Freute er sich auf das blutige Spektakel – wie auch immer es aussehen mochte –, das er hier sehen sollte? War er außer sich vor Freude, in einem Land voller Wüstlinge gefangen zu sein, die damit drohten, ihm rotglühende Schüreisen in den Hintern zu schieben? War er damit zufrieden, so gut wie nichts über sein zukünftiges Schicksal zu wissen – oder darüber, was von ihm erwartet wurde? Hatte er sich damit abgefunden, dass die Königin ihn unter ihren wohlgeformten Füßen zermalmen würde, sollte er jemals den Heimweg nach Acacia finden?
»Ich fühle mich ziemlich wohl«, brachte er heraus.
»Gut, gut.« Devoth grinste und warf seine Mähne zurück. »Es bereitet mir Freude, das zu hören.«
Sein eckiges Kinn durchschnitt die Luft, als er sich umschaute, und seine Augen leuchteten grün in der Sonne. Er strich
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