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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Clans. Wir sind diejenigen, die über die Zukunft entscheiden; und heute kämpfen wir um die Ehre, die Speerspitze zu sein. Niemand aus deinem Volk hat dies bisher gesehen. Niemand wird es jemals wieder sehen. Genieße es, und fühle dich geehrt.«
    Doch Genuss und das Gefühl, geehrt zu werden, hausten irgendwo anders, weit weg von Rialus‘ gegenwärtigem Gemütszustand. Er musste die Feinheiten des gesellschaftlichen und politischen Lebens der Auldek erst noch auseinanderklauben, allerdings hatte er Zweifel, dass er jemals alles verstehen würde, selbst wenn er Jahre in Ushen Brae verbringen sollte – und er betete inständig zum Schöpfer, dass dies nicht der Fall sein würde. In den letzten paar Tagen hatte Rialus genug Sklaven gesehen, um zu wissen, dass sie oft tätowiert, mit Juwelen geschmückt und körperlich verändert waren. Doch bei den Hausklaven waren die Veränderungen geringfügiger. Diese Krieger waren Monstrositäten. Doch sie waren die Schöpfungen der Auldek. Warum tat man ihnen das an? Warum veränderten die Auldek sich nicht selbst, wenn sie solche Dinge anziehend fanden?
    Vielleicht war es ein Beweis für seinen beeinträchtigten Geisteszustand, denn ehe er sich selbst den Mund verbieten konnte, hörte Rialus, wie eine Frage seinen Lippen entschlüpfte: »Wieso werden eigentlich ausgerechnet die Sklaven so geschmückt?«
    Die Umsitzenden antworteten ihm mit ungläubigem Schweigen.
    »Ich hätte gedacht, dass …« Rialus verstummte, er wusste nicht recht, was er gedacht haben könnte. Er änderte den Kurs. »Ich meine, warum nicht Ihr selbst? Wenn die Tiere Eure Totems sind …«
    Mulat murmelte einen Fluch vor sich hin und sagte dann lauter: »Du törichter Pisspott von einem Menschen. Die Totems sind keine Tiere. Sie sind Götter, die in den Tieren leben!«
    Ein paar Auldek starrten ihn immer noch an. Ungebeten drangen ihm weitere Worte über die Lippen. »Es ist sehr interessant, dass gerade sie – ich meine, sie sind doch nur Sklaven –, also, dass sie diese Speerspitzensache entscheiden.«
    »Dafür sind die Sklaven da!«, bellte Calrach über die Schulter nach hinten. »Das ist eine Blutprüfung, du Idiot!«
    »Ich verstehe«, sagte Rialus. »Das erklärt es dann.«
    Devoth musterte Rialus, so dass dieser nicht recht wusste, ob er gleich ausholen und ihm eins auf die Nase geben würde, oder …
    »Nimm dir ein Glas Saft«, sagte der Auldek und gab mit einer Handbewegung zu verstehen, dass ein vorbeiwanderndes Tablett aufgehalten werden sollte, damit der Acacier sich bedienen konnte.
    Rialus gehorchte. Er nahm das Glas mit der roten Flüssigkeit in beide Hände und hielt es ganz fest, um zu verhindern, dass sie zitterten.
    »Calrach hat recht«, sagte Devoth. »Genau so ist es. Unsere Sklaven sind unsere Kinder. Ihr Schicksal ist unauflöslich mit dem unseren verbunden. Die Veränderungen an ihren Körpern werden ›Zugehörigkeit‹ genannt. Nicht alle Veränderungen, die mit der Zugehörigkeit zu tun haben, nehmen wir selbst an ihnen vor. Manche machen sie selbst. Für manche Dinge hatten nur die Lothan Aklun die notwendige Magie. Das hat, wie es scheint, durch die Gilde ein Ende gefunden. Das wird uns vergolten werden müssen. Und zwar mehrfach.«
    Und damit war das Thema beendet. Was für Rialus eine Erleichterung war. Sie richteten ihre Aufmerksamkeit auf das Spektakel vor ihnen. Anfangs reizten einzelne Krieger der verschiedenen Gruppen andere so lange, bis es zu Einzelkämpfen kam. Als Rialus dem Geplänkel lauschte, wie sie lachten und fluchten und einander verspotteten, musste er an die Kinder denken, die zwischen den Kais von Acacias Westhafen nach Austern tauchten. Jene sonnengebräunten Jugendlichen hatten genauso unbefangen miteinander gewetteifert. Aber die Taucher hatten anderen kleine Hiebe versetzt, die einer Krähenfrau den Arm an der Schulter abtrennten oder einem Katzenmann den Kopf spalteten, so dass seine Schädeldecke vom Scheitel bis zu den Augen hinunter wirbelnd davonflog, oder die das Knie einer lieblichen Kranichfrau zwischen zwei Kriegshämmern zerschmetterten.
    Rialus hatte wirklich das Gefühl, dass ihm jeden Moment übel werden würde. Er deutete dies mit den Fingern einer Hand an, flehte schwach um Aufmerksamkeit. Es war eine Geste, die in Acacia einen Diener an seine Seite gebracht hätte. Hier wurde sie nicht beachtet. Heißer Schweiß brach ihm aus, zunächst auf der Stirn, dann am ganzen Körper. Speichel füllte seinen Mund immer wieder aufs

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