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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Ich meine, ich kann es schon sehen, aber was für Menschen würden sich ein solches System ausdenken?«
    Und du hast geglaubt, dein Volk wäre listig, dachte Mór. Verglichen damit seid ihr nichts als Kinder.
    »In diesem System werden alle ausgebeutet«, fuhr Dariel fort, »mit Ausnahme der Lothan Aklun.«
    »Oh ja«, unterbrach ihn Skylene. »Und nun, da sie tot sind, sehen wir uns einem ganzen Haufen neuer Probleme gegenüber. Vielleicht solltest du einen Schluck Wasser trinken. Ich habe dir noch mehr zu erzählen, wovon dir schwindlig werden wird.«

37

    »Lass sie höher fliegen«, rief Aaden.
    »So hoch sie kann«, fügte sein Freund Devlyn hinzu.
    »Ich gebe ihr keine Befehle«, sagte Mena. »Ich frage sie nur. Sie entscheidet selbst, was sie tut oder nicht.«
    »Ich weiß, aber sie soll höher fliegen. Wenn ich sie wäre, würde ich höher und höher und höher aufsteigen. Ich frage mich, wie hoch sie fliegen könnte?«
    »So hoch, wie sie will, Aaden. So hoch, wie sie will.« Mena lächelte und betrachtete das verzückte, nach oben gerichtete Gesicht ihres Neffen. Sein Mund stand noch immer offen von all den unbeantworteten Fragen. Einen Moment lang war Mena versucht, eine der Trauben zu nehmen, die von ihrem Mittagessen übrig waren, und sie ihm auf die Zunge fallen zu lassen. Doch stattdessen formte sie in Gedanken ein Bild vom In-die-Höh-Steigen und lenkte es in Richtung der Vogelechse.
    Tante, Neffe und dessen Freund saßen auf einer gesteppten Decke, die sie auf dem kurzen Gras der Carmelia ausgebreitet hatten, des gewaltigen Stadions, das nach der Frau des siebten Akaran-Königs benannt worden war. Um sie herum erstreckte sich das flache Spielfeld in alle Richtungen bis hin zu den Mauern, die es einfassten. Dahinter stiegen stufenförmig die Tribünen empor, genügend Bänke für Tausende von Zuschauern. Im Moment waren sie allerdings leer, abgesehen von einigen Arbeitern, die dort saubermachten und sich dabei langsam von oben nach unten vorarbeiteten. Mena nahm sie kaum wahr. Die vier Numrek, die Wache standen, waren misstrauischer; sie hatten sich auf den Tribünen verteilt, standen an den imaginären Ecken eines Rechtecks, in dessen Mittelpunkt sich Aaden befand, ihr besonderer Schützling.
    Über ihnen glitt Elya durch die Lüfte. Natürlich galt die ganze Aufmerksamkeit des Jungen ihr. Anscheinend als Reaktion auf Aadens Anfrage und Menas Gedanken hielt sie ihre Schwingen ruhig und neigte sich leicht in eine kreisförmige Flugbahn, die sie auf warmen Luftströmungen immer höher hinauftrug.
    »Wenn du weiter so nach oben schaust, bekommst du noch ein steifes Genick «, warnte Mena und winkte einer der drei Dienerinnen zu, die wartend ein Stück abseits standen. Die junge Frau lächelte zur Antwort.
    Aaden gab durch nichts zu erkennen, dass er ihre Worte gehört hatte.
    Schließlich war Elya nur noch ein Fleck am Himmel.
    »Gleich wird sie verschwinden«, sagte Devlyn. Er war ein hübscher, dunkelhaariger Junge, ein bisschen größer als Aaden. Seine Gesichtszüge ließen nicht klar erkennen, welchem Volk er entstammte.
    »Sie verschwindet doch nicht, oder?«, fragte Aaden, dessen Begeisterung jetzt der Besorgnis wich. Und dann, als wäre ihm gerade etwas eingefallen: »Sag ihr, sie soll herunterkommen.«
    »Aber du hast mir gerade gesagt, ich soll sie hinaufschicken! Und sie fängt gerade erst an aufzusteigen.«
    Mena machte sich noch eine Weile einen Spaß mit ihnen, spielte mit ihrer wachsenden Beklommenheit. Als die Jungen allmählich wirklich ängstlich aussahen, legte sie Aaden den Arm auf die Schulter und tat, worum er sie gebeten hatte. Sie wusste noch immer nicht genauer, wie sie sich eigentlich mit Elya verständigte. Es gab keine Regeln, keine Möglichkeit, es zu erklären oder zu bemessen. Sie schickte ihr einfach ihre Gedanken, und Elya reagierte darauf. Es waren keine Worte. Mena benutzte nichts anderes als Bilder. So wie jetzt: Sie sah die Welt von hoch oben und stellte sich vor herabzustürzen, so dass die Konturen unter ihr Gestalt annahmen: der Umriss von Acacia inmitten des schimmernden, kobaltblauen Meeres, der terrassenförmig angelegte Palast und die untere Stadt, die Landzunge, auf der das Carmelia-Stadion lag, drei Menschen, die auf einem Rechteck aus gewebtem Stoff warteten. All das stellte sie sich vor und wusste, dass Elya es denken und verstehen würde, was Mena damit meinte.
    Genauso schien es zu funktionieren, mit Bildern und auch mit Gefühlen. Elya konnte Menas

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