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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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war der Hügel ein mit Wasser gefülltes Loch in der Erde. Die Blutende Straße führt meilenweit über ihr Land und endet an jenem See. Das ist ein Symbol, verstehst du?«
    Ich glaube schon, dachte Dariel. Es klang wie die Art von Strafe, die Tinhadin hätte verhängen können.
    »Das war vor dreihundert Jahren. Seither haben die Auldek sich nicht mehr gegenseitig getötet. In etwas jüngerer Zeit hat es noch einen anderen Clan gegeben, der etwas Verbotenes getan hat.« Sie machte eine Pause, sah erst Tunnel und dann die schweigend lauschende Schreiberin an.
    »Was haben sie getan?«, fragte Dariel.
    Als hätte sie sein Drängen gebraucht, seufzte Skylene und sagte: »Sie haben sie gegessen. Vielleicht hat sie ein Wahnsinn ergriffen. Vielleicht haben sie geglaubt, so könnten sie sich am einfachsten ihre Seelen einverleiben. Vielleicht haben sie auch, wie manche sagen, geglaubt, sie würden wieder fruchtbar werden, wenn sie junges Fleisch essen. Vielleicht haben sie auch noch andere Dinge getan. Wir wissen nicht alles. Wir wissen, dass es abscheulich war. Die anderen Auldek haben alle Sklaven dieses Clans genommen und hingerichtet.«
    »Die Sklaven?«
    »Es ist nicht verboten, Angehörige des Volkes zu töten, sondern nur, sie zu essen oder zu adoptieren. Dieses Mal haben die Auldek den Clan nicht auch noch getötet. Nach der Auslöschung der Fumel hatten sie geschworen, so etwas nie wieder zu tun. Ihre Leben – selbst wenn sie von Verbrechen befleckt waren – waren zu wertvoll, um sie jetzt zu vergeuden, wo nur noch so wenig Auldek übrig waren. Stattdessen wurde der Clan verbannt. Er wurde aus Ushen Brae weggeschickt und verflucht, dass er niemals zurückkehren dürfe.«
    »Die Numrek«, flüsterte Dariel.
    »Ganz recht«, sagte Skylene. »Deine Reisegefährten. Die anderen Auldek haben die Seelen in ihnen getötet, so dass sie nur noch ihr eines Leben hatten, und sie dann nach Norden getrieben. In jener Zeit hat man nichts von ihnen gehört. Das Exil bedeutete aller Wahrscheinlichkeit nach den Tod, aber sicher war es nicht. Dieser Unterschied hat den Auldek gereicht, um die Verbannung als gerechte Strafe gelten zu lassen.«
    »Die Numrek haben auch in der Bekannten Welt Menschen gegessen«, sagte er. »Vor allem, als sie gerade erst angekommen waren, aber auch noch später. Corinn hat es verboten, als sie sie in ihre Dienste genommen hat. Seitdem habe ich nichts davon gehört, dass sie menschliches Fleisch gegessen hätten.«
    »Das würden sie auch nicht tun«, meinte Skylene, »nicht wenn sie sich zum Ziel gesetzt hatten, nach Ushen Brae zurückzukehren.«
    In Dariels Kopf wirbelten unzählige Fragen. »Was bedeutet das … dass sie zurückgekommen sind? Hat das alles einen Grund?«
    »Einen Grund, ja.« Skylene zog mit dem Fuß einen Schemel unter dem Tisch hervor. Sie setzte sich und beugte sich vor, die Ellbogen auf den Knien. Nicht zum ersten Mal bemerkte Dariel, wie schlank und kräftig sie war, weiblich, aber auf eine Art und Weise, in der eine gefährliche körperliche Spannung mitschwang. »Überleg doch mal, was passiert ist«, sagte sie. »Die Auldek haben sie nicht bestraft, als sie zurückgekehrt sind. Gemäß ihrem eigenen Beschluss hätten sie Calrach den Kopf abschlagen und ihn neben dem des Gildenmannes aufspießen müssen. Sie haben es nicht getan. Und sie haben sie auch nicht erneut verbannt. Um es einfach auszudrücken, haben sie mit ihnen gesprochen. Dein Freund Calrach ist mit einem Angebot zurückgekehrt. Seitdem haben sie die ganze Zeit darüber geredet. Sie sind schon seit Jahrhunderten nicht mehr so aufgeregt gewesen.«
    »Was für ein Angebot?«
    »Ich habe nicht die Erlaubnis, dir das zu sagen.«
    »Du willst mir eine halbe Geschichte erzählen?«
    Skylene lächelte. »Wann erzählt schon mal jemand die ganze Geschichte? Ich habe dir gesagt, was ich dir sagen konnte.«
    Ihre Worte klangen endgültig, aber ihre Haltung – ihm zugeneigt, die Knie geöffnet, ihr Gesicht dicht vor seinem – sandte andere Signale. Er war sich nicht sicher, wie er sie zu verstehen hatte.
    »Frag mich etwas anderes«, sagte sie.
    Dariels Wangen wurden heiß. Er wünschte sich sehr, dass Tunnel und die Schreiberin jetzt nicht hier wären, in diesem Raum. Jäh verspürte er den Drang, die Hand auszustrecken und ihre himmelblaue Haut zu berühren. Dieses Verlangen war nicht gänzlich neu. Da er so oft allein war, verschwamm das Bild von Wren vor seinem geistigen Auge mehr und mehr, vermischte sich mit

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