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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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schien – sondern eher ein Hinweis auf die abertausend Leben in den zahllosen Bauwerken, in den Werkstätten und an den Feuerstellen, um die öffentlichen Kochgruben herum und in den großen Sälen voller Zecher. Oder zumindest stellte Rialus es sich so vor.
    Trotz des Rauchs war die Luft frisch. Ein bisschen salzig, wie immer an der Küste; das war – abgesehen von den Möwen – der einzige Hinweis darauf, dass das Meer so nahe war. Das Ufer der Grauen Hänge lag im Osten, gleich hinter einem Schutzwall, der durch irgendeinen architektonischen Kunstgriff wie die in die Ferne zurückweichende Silhouette einer Stadt aussah. Die Stadtbewohner hatten dem Meer den Rücken gekehrt und schienen ihre Lage an der Küste absichtlich nicht zu beachten. Wenn sie nach Osten schauten, sahen sie die Illusion einer sich immer weiter erstreckenden Stadt, sonst nichts.
    Obwohl Rialus wusste, dass ein Teil der Aussicht ein Trugbild war, staunte er dennoch über die gewaltigen Ausmaße dessen, was er sehen konnte, und darüber, wie es jenseits seines Blickfelds immer weiterzugehen schien. Wie groß war die Bevölkerung? Wie bei allem hier in Ushen Brae – in seinen Gedanken hieß dieser Teil der Welt schon lange nicht mehr die Anderen Lande – wurde Rialus aus dem Ganzen nicht recht schlau. Er hörte, wie die Auldek ihre jahrhundertelange Unfruchtbarkeit beklagten. Und jedes Mal, wenn eine der seltenen Gelegenheiten erwähnt wurde, bei denen ein Auldek gestorben war, machte er sich in Gedanken eine Notiz. Es war nur logisch, dass ihre Zahl sich mit der Zeit verringert hatte. Die Tatsache, dass sie einen so gewaltigen Krieg planten, in der Hoffnung, es würde ihnen ihre Fruchtbarkeit zurückgeben, war ein deutlicher Hinweis. Genau wie die Ehrfurcht, die sie Allek entgegenbrachten, dem lästigen jungen Numrek. Andererseits deuteten die gewaltigen Ausmaße der Stadt auf eine große Bevölkerung hin.
    Er hatte Devoth einmal danach gefragt. Sie hatten sich während einer langen Sitzung unterhalten, in der Rialus gezwungen gewesen war, jedes Mitglied des königlichen Geschlechts der Akarans aufzuschreiben, an das er sich erinnern konnte – angefangen bei Edifus. Das Thema begeisterte die Auldek. Rialus hatte den Verdacht, dass sie eine morbide Faszination für die Chronik der Todesfälle hegten, und daher achtete er darauf, genau wiederzugeben, wie jeder einzelne Monarch verschieden war. Er dachte sich sogar ein paar besonders grässliche Todesarten aus. Warum auch nicht? Wer hätte ihn der Lüge bezichtigen können?
    Als das Treffen endete und Rialus merkte, dass der Anführer der Auldek in guter Stimmung war, setzte er an: »Wie … ich meine, wie …«
    »Heraus damit, Gildenmann«, sagte Devoth. »Du weißt, was du sagen willst, also warum lässt du dann das Gestotter nicht sein? Sprechen alle aus deinem Volk so?«
    Rialus holte tief Luft und dachte, ich würde ja sprechen, wenn du und die Numrek nicht so viel Spaß daran hätten, mich bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu unterbrechen. Er achtete darauf, sich deutlich auszudrücken. »Wie viele von Euch gibt es? Ich meine, wie viele Auldek gibt es in Ushen Brae?«
    Devoth legte nachdenklich den Kopf in den Nacken, und in seinen Augenwinkeln bildeten sich kleine Fältchen, als würde die Frage ihn überraschen und in gewisser Hinsicht auch misstrauisch machen. »Es gibt genug von uns«, antwortete er schließlich, »und bald wird es noch mehr geben. Das ist es, worum es hier geht. Das, Gildenmann, ist es, worum es hier wirklich geht.«
    Damit hatte er sich abrupt abgewandt und Rialus mit seiner Neugier und einem unbehaglichen Gefühl zurückgelassen. Bei jener Gelegenheit – und jetzt, wo sie ihm wieder einfiel – musste er sich ins Gedächtnis rufen, dass er nicht der Verräter war, für den Devoth ihn hielt. Obwohl er mittlerweile Stunden damit verbracht hatte, Informationen auszuplaudern, die ihn oberflächlich betrachtet wie den geschwätzigsten aller Verräter aussehen ließen, sagte er sich, dass dies alles nur ein Trick war, eine Möglichkeit, Zeit zu gewinnen. Er würde irgendwie aus dieser Situation herauskommen, doch bis es so weit war, musste er überleben, selbst wenn das bedeutete, den Eindruck zu erwecken, als würde er sein Volk verraten.
    Während Rialus auf der Fensterbank saß und sich das einredete, kam seine Dienerin Fingel auf ihn zu. Ihre Pantoletten klatschten bei jedem Schritt hörbar gegen ihre Fußsohlen. Das Geräusch hatte ihn anfangs

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