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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Hanish könnte ihr eines Tages eine Frau aus seinem Volk vorziehen.
    Corinn vergaß den Verdruss, den sie gerade eben noch empfunden hatte, und gestand sich stattdessen ein ganz anderes Gefühl ein. »Rhrenna, es tut mir leid.«
    Die Sekretärin blickte auf und musterte sie. »Was tut Euch leid?«
    War dies Wahnsinn? Ein Verbrechen zuzugeben und zu wünschen, es wäre anders gewesen? Nein, das glaubte sie nicht. »Was ich deinem Volk angetan habe.«
    »Oh.« Rhrenna räusperte sich, senkte den Blick wieder auf ihre Unterlagen. »Wir waren auch keine Unschuldslämmer.«
    »Ich weiß. Du hast es die ganze Zeit gewusst, oder? Die ganze Zeit, als wir beide jung waren und zusammen ausgeritten sind und ich dir gezeigt habe, wie man sich bei Hofe benimmt – du hast die ganze Zeit gewusst, dass Hanish mich vielleicht irgendwann den Tunishni opfern würde.«
    Rhrenna zog sich in sich selbst zurück. Sie schlug die Augen nieder, senkte den Kopf und starrte auf die Papiere in ihrem Schoß. Ihre langen blonden Haare fielen ihr wie ein Vorhang vors Gesicht. »Ich wollte nie, dass das passiert.«
    »Aber du hast gewusst, dass es passieren könnte . Ich tadele dich nicht. Du stehst mir inzwischen näher als meine Schwester. Vielleicht liebe ich das Blut, das du mit Hanish teilst. Vielleicht fühle ich mich dir deshalb so nahe. Aus irgendeinem Grund weiß ich, dass die Tatsache, dass du mich damals verraten hättest, bedeutet, dass du mich jetzt nicht verraten wirst. Oder überhaupt jemals wieder. Habe ich recht?«
    Die junge Frau nickte. »Ihr habt recht.«
    »Ich weiß«, sagte Corinn. Sie faltete die Hände im Schoß und holte tief Luft. Irgendetwas daran fühlte sich an, als hätte sie Rhrennas Versprechen in sich hineingesogen, so dass es jetzt ihr gehörte. »Wenn das alles vorbei ist und wir wieder Frieden haben, werde ich den Bann, Tahalia zu betreten, aufheben. Es gibt keinen Grund, warum die Feste nicht wieder geöffnet werden sollte, warum niemand mehr dort leben sollte. Tatsächlich gibt es viele Gründe, warum es anders sein sollte. Würde dir das gefallen?«
    Rhrenna saß da, als studiere sie immer noch die Seiten vor ihr, doch ihr Blick war ein Stück davongewandert, ging ins Leere. »Ich glaube nicht, dass ich wieder dort leben könnte. Vielleicht kehre ich eines Tages dorthin zurück, wenn ich alt bin, aber ich bin mir nicht sicher. Ich glaube allerdings, dass ein paar andere zurückkehren würden. Ich kenne ein paar, die das sehr gerne wollen. Natürlich wäre es nicht dasselbe. Es sind zu wenige von uns übrig, aber ich kenne ein paar Mein, die ihre Familien nach Tahalia zurückbringen würden. Sogar ihre gemischten Familien. Sie würden die Balken wegreißen, die die Zugänge versperren, würden die Dampfventile öffnen und die Feste wieder heizen. Es kann nie wieder dasselbe sein, aber es wäre gut, wenn Tahalia sich wieder mit Leben füllen würde. Ich würde gerne glauben, dass eine ganze Kultur nicht einfach vergessen werden kann.«
    Dieses Mal war es Corinn, die einige Zeit brauchte, bis sie antwortete. Obwohl sie selbst das Gespräch angefangen hatte, kam es für sie überraschend, dass Rhrenna tatsächlich über diese Frage nachgedacht hatte. Sie hatte sogar mit anderen Mein darüber gesprochen. Eine Kultur vergessen? Was für eine seltsame Vorstellung. Für Corinn war es immer das Gegenteil gewesen. Sie hatte befürchtet, die Welt würde sich nur zu gut an die Mein erinnern, hatte gefürchtet, dass sie immer noch Macht hatten, immer noch irgendeine Möglichkeit besaßen, die Welt zu formen. Hanish suchte so oft ihre Gedanken heim. Wie könnte es auch anders sein, wo er so deutlich in Aaden weiterlebte? Die Mein waren – zumindest was sie selbst anging – weit davon entfernt, in Vergessenheit zu geraten. Das war ihr früher wie ein Problem erschienen. Inzwischen wünschte sie sich allerdings manchmal, sie hätte Hanishs Tod nicht befohlen. Vielleicht hätte es eine Möglichkeit für sie gegeben zusammenzubleiben. Was für ein machtvolles Paar sie gewesen wären. Herrscher für die Ewigkeit.
    Draußen verkündete eine Knochenflöte die fortschreitende Stunde. Andere Flötenspieler nahmen die Melodie auf und verbreiteten sie vom Palast weiter in die tiefer liegende Stadt. Corinn lauschte, bis die Musik in der Ferne verklang, und ihr fiel wieder ein, wie müde sie war. »Rhrenna«, sagte sie, »ich werde nicht alles zerstören. Das glaubst du mir doch, oder?«
    Die Antwort kam erfreulich schnell. »Ja,

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