Acacia 02 - Die fernen Lande
wieder auf sie gerichtet und wartete. »Haben die Auldek vor, die Bekannte Welt anzugreifen?«
»Woher wisst Ihr das?«
»Antworte!«
»Ja«, sagte Rialus. »Ja. Sie sind Unmenschen, Euer Majestät. Nicht so wie die Numrek. Ich meine, nicht genauso. Sie sind … achtunggebietender. Wisst Ihr, dass sie Bestien wie weiße Löwen in ihren Palästen halten? Sie lassen sie einfach frei herumlaufen, als ob sie …«
»Rialus, im Namen des Schöpfers, antworte einfach nur auf meine Fragen.« Sie starrte ihn einen Moment lang durchdringend an, um ihm ein wenig Zeit zu geben, ihre Worte zu begreifen, und fragte dann: »Wie groß ist die Bedrohung, die sie darstellen?«
»Sehr groß, würde ich sagen.«
»Haben sie eine große Armee?«
»Ja, aber es ist nicht nur eine Frage ihrer Truppenstärke. Sie besitzen ein paar schreckliche Kreaturen. Antoks und Schlimmeres. Und die Auldek können nicht getötet werden.«
»Sie können nicht getötet werden?«
»Nun, ›sie können nicht getötet werden‹ ist nicht ganz richtig.« Rialus suchte nach einer Möglichkeit, es zu erklären, und schien dann plötzlich verwirrt. Er sah sie von Neuem an und fragte: »Spreche ich tatsächlich mit Euch? Das ist alles so sonderbar.«
Corinn loderte heller als jemals zuvor. »Lass mich ihre Armee sehen.«
»Wie meint Ihr das?«
»Denk an sie. Lass ein Bild von den Dingen, die du gesehen hast, in dir aufsteigen – und auch von dem, was du noch zu sehen erwartest. Lass all diese Dinge vor deinem inneren Auge entstehen. Ich hole sie mir dann von dir.«
Er tat, wie geheißen, und sie tat, wie angekündigt. Die Bilder waren verschwommen und verschattet, sie überlappten sich, ohne Zusammenhang und ohne Erklärung. Doch sie sah eine gewaltige Zahl von Soldaten in Tiergestalt. Sie sah, wie Wesen, die den Numrek ähnelten, gefällt wurden und sich dann immer wieder von Neuem erhoben, als wären sie gegen tödliche Verletzungen gefeit. Sie sah die Reihen einer Armee aus Menschen und Ungeheuern, Riesen und geflügelten Kreaturen. Sie sah stampfende Füße und ungeschlachte Gestalten, die mit nichts in der Bekannten Welt zu vergleichen waren. Sie hörte das Gebrüll wütender Bestien und rhythmische Schlachtgesänge. So viele, dass sie in der Ferne im Schatten verschwanden wie eine niemals endende Parade von Dämonen, die endlich aus der Gefangenschaft entkommen waren und danach hungerten, Beute zu machen. Mehr brauchte sie nicht zu sehen.
»Eines noch, Rialus Neptos«, sagte sie, nachdem sie sich zurückgezogen hatte und wieder sprechen konnte. »Hast du uns verraten?«
Der Mann hätte auch mit seinem echten Körper kaum mehr entsetzte Entrüstung ausstrahlen können als mit den Grimassen seines Geistgesichts. »Nein! Niemals!«
»Du musst beweisen, dass du die Wahrheit sagst. Wenn du auch nur einen Hauch von Ehre hast, Rialus Neptos, wirst du eine Möglichkeit finden, mir zu dienen. Wenn du deine Frau wiedersehen willst, wirst du eine Möglichkeit finden, mir zu dienen. Hast du verstanden?« Corinn stellte die Frage, doch sie schaffte es nicht, lange genug zu bleiben, um seine Antwort zu hören. Sie konnte sich dem Ruf ihres Körpers nicht länger verweigern.
Früh am nächsten Morgen rief Corinn ihre Sekretärin zu sich. Sie gab ihr die Anweisung, Rialus’ Frau Gurta für die Dauer des kommenden Konflikts nach Calfa Ven bringen zu lassen. »Stelle sie unter meinen königlichen Schutz.«
»Oh, dann ist sie also eine Gefangene«, sagte Rhrenna. »Sie ist hochschwanger, wie Ihr wisst, aber ich sorge dafür, dass es ihr an nichts mangelt.«
Dann rief Corinn eine ganze Schar Schreiber herbei und trug ihnen auf, eine Depesche vorzubereiten, die mit Botenvögeln überbracht werden würde. Sie diktierte eine Botschaft, die an die Gouverneure und höchsten Offiziellen sämtlicher Provinzen geschickt werden sollte sowie an den Senat von Alecia und einen Haufen anderer wichtiger Persönlichkeiten, die die Neuigkeiten als Erste erfahren mussten. Darin bestätigte sie, dass die Aussagen der Gilde der Wahrheit entsprachen. Ein Feind – die Auldek – marschierte gegen sie, mit entsetzlichen Kreaturen und einer Zehntausende zählenden Armee. Unter ihnen waren auch viele Quotenkinder, die jetzt Krieger waren und deren Herzen gegenüber Acacia verhärtet waren. Sie waren die größte Bedrohung, der sich die Bekannte Welt jemals gegenübergesehen hatte. Wenn sie sich nicht vereinigten und sie besiegten, würden sie alle untergehen. Eine Schlacht
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