Acacia 02 - Die fernen Lande
den Atem an. Die Göttlichen Kinder starrten wie gebannt zu Devoth herauf; viele Gesichter wirkten verblüfft und ungläubig. Das brachte den Anführer der Auldek zum Lachen.
»Lvin, Kulish Kra, Shivith, Kern, Anet – all ihr Auldek-Clans, leiht mir eure Stimme. Lasst sie wissen, dass es wahr ist, was ich sage.«
Zustimmende Rufe erklangen, erst aus einem Bereich der Auldek-Reihen, dann aus einem anderen. Jede Gruppe rief ihren Namen, bezeugend, bestätigend. Ranghohe Clanmitglieder drehten sich um und nickten, zeigten auf Devoth, um deutlich zu machen, dass er für sie alle sprach.
»Und jetzt hört mich noch einmal und antwortet mir!«, übertönte Devoth sie. »Wollt ihr die Freiheit? Wenn ja, braucht ihr es nur zu sagen und dann dafür kämpfen. Antwortet mir!«
Es dauerte einen Moment, aber dieses Mal antworteten die Massen. Sie schrien nach ihrer Freiheit.
»Gut. Ich bin froh, dass ihr mich nicht enttäuscht. Ich habe gewusst, dass ihr das nicht tun würdet. Und ich weiß auch das: Für diese Schlacht nehmen wir alles mit. Für diese Schlacht fliegen wir, wie wir es seit Jahrhunderten nicht mehr getan haben. Wir rufen alte Freunde, Reittiere, die seit vielen Jahren keine Reiter mehr zugelassen haben. Reittiere, denen wir ein Gemetzel versprochen haben.« Er drehte sich um und brüllte in die Richtung, aus der sie gekommen waren: »Kommt zu mir, meine alten Freunde!«
Rialus wirbelte herum. Er wusste nicht, was er zu erwarten hatte, doch er rechnete damit, ein weiteres Mal überrascht zu werden. Und er wurde überrascht. Er hörte das Schlagen der Flügel nicht, obwohl er in vielen Nächten, die auf diesen Tag folgen würden, träumen sollte, dass er es gehört hatte. Zuerst nahm er sie als wogende Umrisse war, die vor dem hellblauen Himmel beinahe geisterhaft wirkten. Sie stiegen empor. Einer und dann zwei mehr und dann noch mehr. Sie flogen mit gewaltigen Schwingen. Sie flogen schnell, wurden größer, als sie näher kamen, schossen umeinander herum, manchmal als dunkle Sicheln aus schneller Bewegung, dann wieder Splitter fast unsichtbarer Gestalten.
Zumindest war das so, bis sie landeten. Einige ließen sich auf Säulen neben der Armee niedersinken. Andere ging inmitten der Menge nieder, die auseinanderstob und Landeplätze für sie freimachte. Ein paar flankierten Devoth auf der Plattform. Eines landete auf allen vieren auf den Stufen zwischen ihm und den aufgereihten Massen. So verharrte es einen Augenblick lang, als rücke es die Last seines eigenen muskulösen Gewichts zurecht, und dann richtete es sich mit ausgebreiteten Schwingen auf, wuchtig, noch größer als die Kwedeirs und ganz anders gebaut. Die Haut der Kreatur war haarlos und glatt, ihre Muskulatur menschenähnlicher als die der Fledermauskreaturen, mehr wie bei einem Wesen, das dazu geschaffen war, aufrecht zu gehen. Die Rückseite der Schwingen war von so dunklem Blau, dass es fast schwarz wirkte, doch ihr Bauch, ihr Gesicht, und die Vorderseite ihrer Beine waren rauchweiß. Der Kopf erinnerte an den eines haarlosen Affen, mit vorspringenden Kiefern voller deutlich sichtbarer Zähne und großen Augen, die die Szenerie mit selbstsicherer, intelligenter Bösartigkeit in sich aufnahmen.
Rialus vergaß zu atmen. Als er begriff, woher das Brennen in seiner Brust kam, versuchte er einzuatmen und wusste nicht mehr, wie das ging.
Devoth drehte sich um und zwinkerte ihm zu. »Ich habe die Fréketen doch erwähnt, oder? Wie ich sehe, bist du beeindruckt. Schau her.«
Mit diesen Worten schritt er die steinernen Stufen hinunter und auf die geflügelte Kreatur zu. Die Bestie drehte sich um und folgte ihm mit den Blicken; ihre Augen weiteten sich und die Nüstern blähten sich, als sie hörbar einatmete. Sie öffnete das Maul, und einen Augenblick lang war Rialus überzeugt, dass die Kreatur Devoth verschlingen würde. Doch stattdessen warf sie den Kopf zurück und brüllte, ein unglaublicher Laut, der die Luft in Fetzen riss.
Rialus schlug die Hände über die Ohren. Das Tier wandte sich halb von Devoth ab. Es bewegte eine seiner Schwingen und bot ihm einen muskulösen Oberschenkel, auf den Devoth aufsprang. Mit ein paar gewandten Bewegungen kletterte der Auldek auf den Rücken der Kreatur und rammte die Füße in die Steigbügel des leichten Geschirrs, das um ihren Körper gezurrt war.
Er hatte kaum die Riemen in den Händen, als das Geschöpf sich mit einem Satz in die Luft warf, während Devoth sich festklammerte. Am Scheitelpunkt ihres
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