Acacia 02 - Die fernen Lande
sich zugetragen hatte. Noch ehe er antworten konnte, hatte Devoth sich wieder abgewandt.
»Dies wird die größte Tat eures Lebens sein!«, brüllte Devoth der Menge zu, sobald sie sich so weit beruhigt hatte, dass er sprechen konnte. Er sprach langsam, und einen Augenblick fand Rialus seinen Tonfall merkwürdig, vor allem, da so leidenschaftliche Gefühle in den Worten mitschwangen. »Ihr wisst, warum ihr hier seid. Um Krieg zu führen!«
Die Menge bestätigte, dass sie in der Tat wusste, aus welchem Grund sie hier versammelt war. Es dauerte einige Zeit, bis der Beifall abebbte, da die Worte des Anführers für jene wiederholt werden mussten, die weiter hinten standen. Etwas verspätet tönte Jubelgeschrei zurück.
»Auf diesen Augenblick haben wir Hunderte von Jahren hingearbeitet«, behauptete Devoth. »Hunderte von Jahren. Bedenkt, wie viel Glück ihr habt! Man wird sich an euch erinnern – ob ihr nun lebt oder sterbt. Man wird sich an euch erinnern und man wird euch beneiden, wegen der Dinge, die ihr sehen und wegen der Taten, die ihr vollbringen werdet. Ihr werdet Legenden sein. Zweifelt ihr etwa daran? Wer außer den Helden der Legenden würde es wagen, in den hohen Norden zu marschieren? Wer außer Legenden würde weiße Bären und Eisjungfern mit einem Fußtritt aus dem Weg scheuchen, wer würde über gefrorenes Wasser marschieren, über ein unergründliches Meer, durch beißenden Wind und Schnee, durch Tundren und Gebirge? Wer außer Eroberern würde sich all dem stellen, nur um an seine Feinde heranzukommen? Sagt mir, dass das nicht nach Legenden klingt!«
Dem Aufschrei nach zu urteilen, der auf seine Aufforderung folgte, schien ihnen diese Vorstellung recht gut zu gefallen.
Er weiß, wie man zu einer Menge spricht, dachte Rialus.
»Ja.« Devoth schritt auf der Plattform hin und her, die Hände wie Schalltrichter an die Ohren gelegt und sog das Getöse in sich auf, als wäre es persönliches Lob, verschlang es mit seinem Grinsen. »Ja.«
Einige Zeit lang bekam Rialus nicht mit, was Devoth sagte. Es war schwierig, die sich drängenden Krieger und Tiere nicht einfach nur mit offenem Mund anzustarren: scharrende Antoks, Kwedeirs, die die Schultern rollten und die Mäuler aufrissen, als würden sie sich am liebsten einen der kleinen Happen überall um sie herum einverleiben, die Massen, deren Begeisterung immer wieder verzögert heranwogte. Die verstreichenden Augenblicke machten nichts von alledem weniger furchterregend. Als der Jubel allerdings plötzlich verstummte, wusste Rialus, dass er lieber genau zuhören sollte.
»Wie könnten wir euch also keine große Belohnung bieten? Könnten wir euch nicht ehren, Göttliche Kinder? Sagt mir, was auf der Welt hättet ihr am liebsten?«
Devoth beugte sich vor und wartete auf eine Antwort. Doch es ertönte kein antwortender Lärm. Die gewaltige Armee stand stumm da. Selbst die Antoks legten die massigen Köpfe schräg und lauschten auf das unheimliche Schweigen von abertausend atmenden Lebewesen. Die Auldek grinsten und stießen sich gegenseitig wissend an, aber die Massen hinter ihnen schienen aufrichtig verwirrt zu sein.
Was genau geht hier eigentlich vor?, fragte sich Rialus.
»Ihr wisst es nicht?«, fragte Devoth. »Dann mache ich euch einen Vorschlag. Ich weiß, dass ihr uns auf dieser Reise begleiten und diesen Krieg an unserer Seite ausfechten werdet, weil ihr treu seid, weil ihr stolz seid und weil dies hier mehr als alles andere in eurem Leben genau das ist, wofür ihr geschaffen wurdet. Aber wenn ihr uns helft, unser Ziel zu erreichen – wenn wir die Acacier besiegen wie die Krieger, die wir dereinst waren, wenn wir Auldek wieder fruchtbar sind und unsere eigenen Kinder haben, wenn wir die Seelen in unserem Innern aufgeben und wieder nur die Spanne eines einzigen Lebens leben werden, wenn wir also all die Dinge haben, die wir uns sehnlichst wünschen – dann werden wir euch freilassen.«
Die Stille, die dieser Ankündigung folgte, war erschreckender als jedes Getöse.
»Ihr werdet frei sein und tun können, was immer ihr wollt. Erschlagt die Acacier, wenn ihr wollt. Versklavt sie, wenn ihr mögt. Führt Krieg oder schließt Frieden, wie es euren Seelen gefällt. Wir werden euch nicht daran hindern.« Devoth grinste, winkelte einen Arm an, wobei sich sein Bizeps wölbte, und tippte sich gegen die Brust. »Wenn es euch gefällt, sammelt eine Armee und führt Krieg gegen uns . Das wäre doch ein Spaß, oder?«
Noch immer hielt die Menge
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