Acacia 02 - Die fernen Lande
übergeben werden mussten. Vor allem dabei musste man langsam vorgehen, wie sich zeigte, als Tam ein Fass ein bisschen zu früh losließ. Es krachte auf den Rand des Decks und schwankte dort einen Moment. Dann kippte es zurück gegen den Pier und platschte ins graue Wasser des Hafens.
»Egal«, sagte Dariel. »Macht weiter.«
»Es tut mir leid«, beteuerte Tam. »Ich dachte …«
»Es schwimmt«, bemerkte ein anderer.
Dariel fluchte. Es gab keine Möglichkeit, das Fass zurückzuholen, das knapp außerhalb ihrer Reichtweite unter dem Pier tanzte. »Lasst es«, sagte er und hoffte, dass es sich irgendwo zwischen den vielen Stützpfeilern des Piers verfangen würde. Tam entschuldigte sich weiter, aber Dariel schnitt ihm das Wort ab, nicht so freundlich, wie Skylene es vorhin getan hatte. »Mach einfach weiter. Versuch so zu tun, als ob du dich mit so was auskennst.«
Ein paar Minuten später hatte Tunnel genug vom Warten. Er zwängte sich in Birkés Hemd, wenngleich er es nicht zuknöpfen konnte und die Schulternähte aussahen, als würden sie jeden Moment platzen. Dann machte er sich an die Arbeit, und Dariel war froh darüber. Während die restlichen Mitglieder seiner Truppe alle Mühe hatten, zu zweit ein Fass von der Stelle zu bewegen, schaffte Tunnel es irgendwie, zwei auf einmal mit den Armen zu umschlingen. Mit seiner Hilfe wuchsen die aufgestapelten Reihen auf dem Hauptdeck des Schiffs schnell. Dariel war vollauf damit beschäftigt, dafür zu sorgen, dass sie alle ordentlich gesichert waren. Noch ein paar Minuten, und sie konnten …
»Dariel?« Das war Skylene. Sie sagte nur dieses eine Wort, aber ihr Tonfall verriet ihm alles. Statt zu ihr hinüberzusehen, ließ er den Blick über die Hafenanlagen schweifen. Er entdeckte das Problem schnell.
Ein Ishtat-Soldat stand am Ende ihres Piers und beobachtete sie. Dariel drehte sich zu Skylene um und gab ihr mit einem Wink seiner Augen zu verstehen, dass sie sich weiter verborgen halten sollte. Als er sich wieder umgedreht hatte, kam der Ishtat bereits auf sie zu.
»Wir kriegen Gesellschaft«, warnte Dariel gerade laut genug, dass diejenigen, die mit den Fässern hantierten, seine Worte hören konnten. »Macht einfach weiter. Du nicht, Tunnel – versteck dich.«
Der Ishtat näherte sich jetzt ein bisschen entschlossener, den Blick fest auf sie gerichtet. Er trug den Umhang seines Ordens, der strahlend weiß hinter ihm herflatterte. An seiner Seite hing ein schmales Schwert, auf dessen Heft seine behandschuhte Hand ruhte. »He!«, rief er. »Was macht ihr da? Glaubt ihr etwa, ihr könnt einfach Fässer mit Gildenpech ins Wasser fallen und davontreiben lassen? Seht mal, da!« Er deutete zur anderen Seite des Piers hinüber, wo das Fass gut sichtbar im Hafenwasser trieb. »Seht zu, dass ihr das Ding zurückholt!«
Dariel senkte den Kopf und machte eine entschuldigende Geste. Er rief die anderen und tat so, als würde er unverzüglich losfahren und das treibende Fass zurückholen. Doch der Ishtat kam weiter auf sie zu; seine Schritte wurden langsamer. Als er nahe genug heran war, um Einzelheiten erkennen zu können, kniff er die Augen zusammen, einen Moment lang so verblüfft, dass er nichts anderes zustande brachte. Dann fragte er: »Wer seid ihr? Ihr gehört nicht zu uns.«
Dariel lächelte. »Ich?« Mit einem Satz sprang er vom Bootsdeck auf den Pier und ging dem Ishtat mit freundlichem Gesicht entgegen. »Wer ich bin?« Er lachte und legte den Kopf schief, als hätte er eine Geschichte zu erzählen – eine, die all das hier erklären und sie beide zum Lachen bringen würde, selbst wenn sie den Erzähler nicht von jeglicher Schuld freisprechen würde.
Er versuchte, all das während der paar Schritte zu vermitteln, die er brauchte, um den Mann zu erreichen, und es schien zu klappen. Denn anstatt sein Schwert zu ziehen oder Alarm zu schlagen, baute der Ishtat sich mit hochgerecktem Kinn und in die Hüfte gestemmten Armen vor ihm auf. »Ja. Wer bist du, und was macht ihr …«
Dariel riss die Hand mit dem Dolch hoch und rammte dem Mann die Klinge in die Kehle. Das Gesicht des Ishtat verriet fassungslosen Schrecken. Seine Arme hingen schlaff herab, was sein Entsetzen noch steigern mochte. Wild blickte er sich um, als wollte er, dass sein Körper etwas tat, das zu tun er sich weigerte.
»Mein Name ist Dariel Akaran, wenn du es unbedingt wissen willst«, sagte der Prinz, riss die Klinge zur Seite und stieß den Mann zurück, so dass der Blutschwall ihn nicht
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