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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Zusammensetzung war ein sorgfältig gehütetes Geheimnis. Und auch, was damit bezweckt wurde, war in gewisser Weise ein Geheimnis. Sämtliche Balken des Rumpfs, die Reling und das Deck waren davon überzogen. Es war, als sei das Schiff in einen vollen Farbbottich getaucht und schimmernd und poliert wieder herausgezogen worden. Sobald es auf See war, würden sich Segel an den Masten mit den breiten Rahen entfalten. Das hatte Dariel aus der Ferne gesehen, und angenommen, dass sie auch mehrere Focksegel setzen konnten. Das Schiff war wahrscheinlich das schnellste, das Dariel jemals zu Gesicht bekommen hatte.
    Rialus war bereits da; als er ihm auf dem Deck entgegenkam, sah er blasser aus als sonst. Der Ratsherr hatte vorgeschlagen, auf dem Tabith-Weg über Land zu der Hafenstadt Tabith zu reisen und von dort auf die Grauen Hänge hinauszusegeln. Bei dem Vorschlag hatte Dariel grinsen müssen. Denn auch wenn er an und für sich durchaus vernünftig war, zeigte die Art und Weise, wie Rialus ihn gemacht hatte, ganz deutlich, dass ihm die Vorstellung, vollständig in den Händen der Gilde zu sein, gar nicht behagte. Dariel ging es genauso, doch sie würden sich daran gewöhnen müssen. Sire Neen würde mit dem Schiff reisen, daher würde es merkwürdig aussehen, wenn sie es nicht taten. Außerdem liebte Dariel das Meer. Er hatte es geliebt, als er noch die Schiffe der Gilde gejagt hatte, und er war überzeugt davon, dass er es immer noch lieben würde – trotz der Merkwürdigkeit, ein Gast seiner alten Feinde zu sein.
    »Ist das Rialus Neptos?«, fragte Dariel grinsend. »Oder ist an seiner Stelle sein Geist erschienen?«
    Rialus bekam die scherzhafte Anspielung nicht mit, oder er ließ es sich nicht anmerken. »Der Kapitän sagt, wir sollten innerhalb der nächsten Stunde auslaufen, um die Gezeiten zu nutzen. Seid Ihr bereit zum Aufbruch?«
    »Ja, ja. Alle meine Sachen sind schon gestern an Bord gebracht worden.« Dariel schaute auf seine neuen Kleider hinunter, auf das Marah-Schwert an seiner Seite und auf die geschmeidigen Lederstiefel, die er nun trug, als wolle er sagen, dass er alle seine Besitztümer am Körper trug. »Ich bin so bereit, wie ich es nur sein kann.«
    Und urplötzlich musste er an seine letzten Augenblicke mit Wren denken. Er wusste, es würde nicht das letzte Mal sein. Er hatte ihren Geruch immer noch an sich, und jeden Morgen würde er beim Aufwachen an sie denken. So war es auch gewesen, während er in Aushenia gearbeitet hatte. Er würde sich fragen, ob er schließlich doch noch ein Kind in ihr gezeugt hatte. Sie hofften darauf – mittlerweile schon seit Jahren, wie es ihm vorkam. Vielleicht würde er zurückkommen und sehen, wie sie eine kleine Wölbung in ihrem Bauch rieb. Er hoffte es, doch er war zu dem Entschluss gekommen, dass die Reise die Risiken wert war, die sie barg. Das Versprechen, das er Aaden gegeben hatte – denn er hatte der Bitte des Jungen entsprochen – überzeugte ihn davon. Vielleicht würde er Größeres vollbringen, als Corinn geplant hatte. Er würde auf dieser Mission mehr erreichen, als man von ihm erbeten hatte, und sie würde ihm später einmal dafür danken. So war es bei seinen Wiederaufbau-Projekten gewesen. So konnte es auch hier sein.
    »Ihr habt Euch von der Königin verabschiedet …«
    »Gestern«, erwiderte Dariel ein wenig scharf.
    Es hatte zu seinen Ehren ein kleines Bankett gegeben. Freundlich hatte Corinn ihm Erfolg dabei gewünscht, das Band zwischen dem Reich und der Gilde zu stärken, als wäre das sein einziger Auftrag. Mehr als einer der Anwesenden hatte sich durch die Blume erkundigt, wie er zu der Gilde stehe, da er doch in seiner Jugend einige Auseinandersetzungen mit den Kaufleuten gehabt habe. Er hatte mit Scherzen geantwortet; Grinsen und Humor hatten ihm über diese Situationen hinweggeholfen. Innerlich empfand er allerdings dasselbe Unbehagen.
    Corinn dagegen schien vollkommen unbesorgt zu sein. Vielleicht machte sie sich ja Sorgen, doch wie man das hätte erkennen können, wusste Dariel nicht genau. Sie hatte ihn zum Abschied umarmt, hatte ihm in die Augen gesehen und all die netten Dinge gesagt, die man von einer Schwester ihrem einzigen Bruder gegenüber erwarten konnte. In jenem Augenblick hatte es sich wunderbar angefühlt, als wäre er immer noch ein kleiner Junge und ihre Zuneigung zu ihm der reinste Balsam. Im hellen Licht des Morgens – und mit Aadens Bitte noch in seinem Kopf – sah er ihr Gesicht, doch er spürte die

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