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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Wärme nicht mehr, die er sich wünschte.
    »Ich kann es gar nicht erwarten auszulaufen«, sagte er ebenso zu sich selbst wie zu Rialus. »Meeresluft – das ist es, was ich brauche.«
    »Endlich!«, sagte Rialus. »Calrach. Ich habe mich schon gefragt, ob er überhaupt kommt.«
    Aber Calrach kam, und er schien darüber alles andere als glücklich zu sein. Er marschierte an der Spitze einer kleinen Gruppe von Numrek. Seine Füße klatschten hörbar auf den steinernen Kai. Er schwang die Arme, als wollte er jemanden schlagen, als hoffte er, irgendein Tölpel würde dumm genug sein, ihm in die Quere zu kommen. Sein Kopf ruckte von einer Seite zur anderen, suchte nach einer Beleidigung, die die zurückweichende Menge ihm nicht bot. Seine Haare, lang und schwarz wie die einer Kurtisane, wirbelten um ihn herum, während er voranschritt. Es war eine merkwürdige Darbietung, voller Erregung. Dariel hatte dergleichen schon oft in den Gesichtern der Numrek gesehen, das hier jedoch war anders. Was immer Calrach gekränkt hatte, es war nicht in einem der sich duckenden Menschen rings um ihn herum zu finden.
    »Was ist dem denn für eine Laus über die Leber gelaufen?«, fragte Dariel.
    »Das ist keine Wut. Das ist Angst nach Art der Numrek.«
    Die Numrek stiegen das Fallreep hinauf wie Invasoren. In wenigen Augenblicken waren sie oben angelangt. Calrach drängte sich durch die Ishtat-Wachen, die ihn erwarteten. Die Männer wimmelten unruhig durcheinander, ein paar mit der Hand am Schwertgriff. Doch die Numrek waren keine kriegerische Bedrohung. Sie trugen keine Waffen, und was auch immer Calrach erzürnte, besaß keine menschliche Gestalt. Er brüllte seinen Begleitern etwas zu. Sie antworteten ebenso streitlustig. Gleich darauf waren sie alle in einer der Luken verschwunden, die unter Deck führten.
    Rialus schilderte flüsternd ein paar Einzelheiten der Vorbereitungen, die Calrach gefordert hatte. Dariel lauschte ebenso betroffen wie erheitert. Ketten? Die Drohung, in blutrünstige Raserei zu verfallen, sobald kein Land mehr in Sicht war? So etwas hatte er noch nie gehört. »Die Numrek haben Angst vor dem Meer? Warum?«, fragte Dariel. »Das ergibt doch keinen Sinn.«
    Rialus zuckte die Schultern. »Sie sind seltsame Wüstlinge. Ich bezweifle, dass sie jemals an Bord eines Schiffes gehen würden, das in See stechen soll, wenn es nicht die Chance bedeuten würde, ihre geliebte Heimat wiederzusehen. Sie haben gesagt, sie können nicht schwimmen. Sind anscheinend zu schwer. Das könnte stimmen, obwohl ich nie erlebt habe, dass es einer von ihnen auch nur versucht hätte. Sich an den Stränden von Talay zu sonnen, das gefällt ihnen, aber sie sind nie ins Wasser gegangen.«
    »Jeder kann ertrinken, Rialus. Im offenen Meer treibend, ertrinkt jeder. Selbst du, mein Freund, aber trotzdem schreist du hier nicht herum, dass du in Ketten gelegt werden willst. Nach allem, was ich gesehen und gehört habe, sind die Numrek furchtlos. Sie kämpfen nur zum Spaß auf Leben und Tod. Was ist das noch für ein Spiel, das sie spielen – wo sie abwechselnd Speere werfen, während einer von ihnen eine Hindernisstrecke entlangläuft? Wie kann man so etwas zum Spaß tun und gleichzeitig Angst vor dem …« Der Prinz unterbrach sich und musterte Rialus. Der kleine Mann hatte irgendetwas gekeucht, jetzt umklammerte er die Reling und sah aus, als sei ihm übel. »Musst du dich übergeben, Rialus?«
    »Natürlich nicht.«
    Dariel trat einen halben Schritt zur Seite, weil er der Selbsteinschätzung des Ratsherrn nicht recht traute.
    Rialus stotterte ein paarmal, bis er schließlich seine Stimme wiederfand. »Wer … wer kann schon die Ängste eines anderen erklären?«
    »Meine Schwester«, erwiderte Dariel trocken. »Oder zumindest weiß sie, wie man sich die Ängste anderer zunutze machen kann.« Er riss sich zusammen und schwieg. Warum hatte er das überhaupt gesagt? Rialus war immer noch Corinns dressiertes Wiesel; wahrscheinlich machte er sich Notizen über jede Beleidigung gegen sie, selbst wenn sie von ihrem Bruder kam.
    Dariel entschuldigte sich und schlenderte davon, ohne rechte Vorstellung, wohin er eigentlich wollte. Er wusste, dass viele Augen auf ihn gerichtet waren. Soldaten des Ishtat-Inspektorats standen in regelmäßigen Abständen schweigend und wachsam an Deck. Seeleute warfen ihm rasche Blicke zu, während sie das Schiff zum Auslaufen klarmachten. Eine kleine Gruppe Gildenmänner unterbrach ihre Unterhaltung mit einem Lotsen und

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