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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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beobachtete ihn mit ausdruckslosen Gesichtern. Ein paar schauten sogar zu ihm herab – Bogenschützen, die in Körben oben auf den Masten Wache hielten.
    Dariel würde jede Minute, die er an Bord war, beobachtet werden. Also würde er versuchen, sich daran zu gewöhnen und nicht darauf zu achten. Er konnte nicht umhin, die Einzelheiten des Schiffs zu betrachten, und bisher hatte ihm noch niemand gesagt, dass er das nicht tun sollte. Sanft strich er mit der Hand über die Reling, befühlte die fremdartige, aber spürbare Beschaffenheit des weißen Überzugs. Er konnte seine Finger leicht darüber hinweggleiten lassen, sobald er jedoch den geringsten Druck ausübte, griff das Zeug förmlich nach seiner Haut. Es war nicht ganz einfach, auf der glatten Oberfläche zu gehen, und als er bemerkte, dass viele der Seeleute barfuß waren, kam er zu dem Schluss, dass sie so einen besseren Halt hatten als mit Schuhen. Andererseits stellte er sich vor, dass das Wasser bestimmt ohne die geringste Reibung am Rumpf des Schiffes entlangglitt. Dieses Schiff musste in der Tat schnell sein; und bestimmt schnitt es so verstohlen durchs Wasser, dass die Wogen es möglicherweise kaum wahrnahmen.
    Es dauerte einen Augenblick, bis er die Stille bemerkte, aber als sie auffiel, schaute er sich um. An Bord des Schiffs war es ruhig geworden. Jegliche Arbeit war zum Erliegen gekommen. Die Gruppe der Gildenvertreter eilte auf lautlosen Füßen vorwärts und reihte sich entlang der Reling auf. Rialus stand immer noch ein Stück entfernt und starrte die Kais an. Dariel folgte seinem Blick und fand die einzige Stelle inmitten des ansonsten plötzlich erstarrten Gewühls, wo sich etwas bewegte.
    Sire Neen. Die Arme auf die Lehnen gelegt, das Kinn hochgereckt und die Blicke auf irgendetwas oberhalb der Menge gerichtet, hockte er auf einem kleinen Sessel, einer plump aussehenden metallischen Vorrichtung. Zwei Männer trugen ihn, einer vor ihm und einer hinter ihm. Sie waren schlank, aber muskulös und trugen hochmütige Mienen zur Schau. Die Menge hatte sich geteilt, um sie durchzulassen. Die meisten standen mit gesenkten Köpfen da. Merkwürdig, dachte Dariel, aber sie waren bei der Gilde angestellt. Dieser ganze Bereich der Hafenanlagen war eine andere Welt. Wie es schien, wurden Sires hier mit, nun ja, mit sehr viel mehr Ehrerbietung behandelt als ein Prinz!
    Nicht zum ersten Mal fragte Dariel sich, ob Corinn tatsächlich für seine Sicherheit gesorgt hatte. Eigentlich musste es so sein. Er war kein Pirat mehr; die Gilde war nicht mehr mit dem Feind verbündet. Was vorbei ist, ist vorbei, hatte Corinn gesagt. Im Krieg wurden Verbrechen begangen, die in Friedenszeiten vergeben werden mussten. So war das nun einmal mit Krieg und Frieden. Während er zusah, wie Sire Neen aufstand und langsam das Fallreep heraufgestiegen kam, hoffte Dariel, dass die Männer der Gilde denselben Überzeugungen anhingen.

8

    Corinn hatte den Traum jetzt schon seit Wochen – so lange, dass sie allmählich fürchtete, er würde sie für immer quälen. Es war immer das Gleiche. Der Traum fing sie immer auf die gleiche Weise ein, mit in etwa der gleichen Abfolge von Geschehnissen, den gleichen grässlichen Erkenntnissen.
    Es begann durchaus erfreulich. Aliver war zurückgekehrt! Der Palast summte förmlich von dieser Neuigkeit. Er war lebendig und unversehrt aufgetaucht, und er war bereit, Corinn dabei zu helfen, das Reich zu regieren. Ihr wacher Verstand hätte sich aus vielen Gründen gegen diese Vorstellung gesperrt, ihr Traumselbst jedoch begrüßte sie mit offenen Armen. Nichts schien wunderbarer zu sein, als Aliver zu Hause zu haben und zuzulassen, dass er ihr ein paar von ihren Lasten abnahm. Sie wusste, dass er ihr einige Dinge vergeben und sie für andere loben würde. Zusammen würden sie die Macht haben, auf wahrhaft großartige Weise über alle zu herrschen.
    All das dachte sie, während sie durch die Flure und über die Plätze eilte und die Treppen hinaufrannte, um zu ihm zu gelangen. Unterwegs bog sie in andere Geschichten, Unterhaltungen, Mühen ab. Sie tauschte ihr cremefarbenes Gewand gegen ihr rotes, oder ihr grünes gegen eines aus purpurnem Samt. Dies änderte sich von Traum zu Traum, aber schließlich schritt sie das letzte Stück Korridor entlang und trug nun ein einfaches Umschlagtuch im Stil der Bethuni, das eine ihrer Brüste freiließ. Sie betrat den Raum und sah eine Gestalt dasitzen, die ihr den Rücken zukehrte. Ohne zu sprechen, rief sie

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