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Acacia

Titel: Acacia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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so viel Kraft hineinlegen, dass er ihn allein mit seinem Zorn niederstreckte.
    Doch Hephron schien zu wissen, was er vorhatte. Er glitt zu Alivers Schlagseite hinüber und ließ sein Schwert nach oben schnellen. Die Klinge traf den Prinzen unmittelbar am Rand der Schulter, am Gelenk, wo die Knochen sich trafen. Dann wirbelte er herum, beschrieb eine komplette Drehung und traf Aliver - der vor Schmerz wie erstarrt war - mit solcher Wucht genau in der Mitte des anderen Armes, dass er diesen mit einem richtigen Schwert säuberlich abgetrennt hätte. Aliver schrie auf, doch Hephron hatte noch immer nicht genug. Er zog das Heft an die Brust und warf sich nach vorn, legte sein ganzes Gewicht in die Bewegung und stieß die Arme vor, sodass das stumpfe Holzende Aliver mitten auf die Brust traf. Durch den Schmerz in beiden Armen bereits kampfunfähig, kippte dieser letzte Angriff den Prinz nach hinten, und er fiel auf die Matte.
    Hephrons Lächeln brachte alle Teile seines Gesichts in Bewegung. In seinem Blick lag so viel Selbstgefälligkeit, dass ein einzelner Mensch sie kaum zu fassen vermochte. »Ihr seid entwaffnet, Herr. Ganz zu schweigen von tot. Was für ein seltsamer Ausgang. Wer hätte das geahnt?«
    Kurz darauf stürmte Aliver ins Freie, hochrot im Gesicht und wütend, mehr auf sich selbst als auf Hephron. Wie dumm von ihm! Er hatte sich selbst erniedrigt, indem er auf Hephrons Sticheleien eingegangen war, ihn herausgefordert, so vollständig verloren und - was am schlimmsten war - allen seine Enttäuschung gezeigt hatte. Außerdem war ihm bewusst, dass er sich eine unnötige Blöße gegeben hatte. Mit ein paar Hieben war das ganze Geheimnis seiner möglichen Fertigkeiten zerstoben. Er wusste genau, dass die anderen just in diesem Moment alle Hephron umringten, ihm auf den Rücken klopften, ihn hochleben ließen und über ihren geckenhaften Prinzen lachten. Wie sollte er je wieder in die Übungshalle zurückkehren und jene abgezirkelten Tanzschritte vollführen, wenn die anderen ihn aus dem Augenwinkel höhnisch beobachteten?
    Melio holte ihn ein, als er gerade eine lange Treppe hinaufstapfte. »Aliver!«, rief er. »Warte auf mich.« Zweimal berührte er den Prinzen am Ellbogen, wurde aber jedes Mal abgeschüttelt. Oben angelangt, sprang Melio vor ihn, schlang die Arme um Alivers Brust und brachte ihn zum Stehen. »Komm schon. Du nimmst dir das zu sehr zu Herzen. Tu das nicht. Hephron ist ein Nichts.«
    »Ein Nichts?«, wiederholte Aliver. »Ein Nichts? Wenn er ein Nichts ist, was bin dann ich?«
    »Der Sohn des Königs. Aliver, lauf nicht weg. Und bemitleide dich nicht selbst. Glaubst du etwa, dieser kleine Kampf hätte irgendeine Bedeutung? Ich sage dir etwas.« Melio wich ein Stück zurück und legte Aliver die Hände auf die Schultern, wie um zu zeigen, dass er loslassen würde, es allerdings nicht sofort tat. »Na schön, die Wahrheit ist, du kannst es mit Hephron nicht aufnehmen. Er ist gut. Nein, warte! Das braucht dich nicht zu scheren, Aliver, er beneidet dich in jeder Hinsicht. Weißt du das nicht? Seine Großspurigkeit ist nur aufgesetzt. In Wirklichkeit wünscht er sich, er wäre du. Ständig folgt er dir mit den Augen. Er lässt sich kein Wort von dir oder über dich entgehen. Wenn er beim Unterricht ganz hinten sitzt, starrt er dich an, als wollte er dir seine Blicke in den Hinterkopf bohren.«
    »Was redest du da?«
    »Ich will damit sagen, dass an Hephron nicht viel dran ist. Das weiß er auch, und deshalb beneidet er dich. Du bist ein Prinz und hast eine wundervolle Familie. Du hast eine wunderschöne Schwester... Na gut, ich scherze. Es stimmt zwar, aber ich scherze. Hephron wird vielleicht dein Feind werden, oder er wird vielleicht ein guter Freund. Aber gib ihm fürs Erste nicht das Gefühl, dass er einen Triumph errungen hat. Vergiss das Ganze.« Melio deutete mit einer vagen Geste hinter sich. »Komm morgen wieder zum Unterricht, als sei nichts gewesen. Mach einen Scherz. Zeig ihm, dass du die Kleinigkeiten, die er dir antun kann, abschüttelst wie den Schlamm an deinen Stiefeln.«
    Es ging auf den Abend zu, und die beiden jungen Männer spürten, wie die Kälte das Schweigen ausfüllte. Melio nahm die Hände weg und rieb sich die nackten Arme. Aliver schaute weg und betrachtete einen grellroten Himmelsausschnitt, der von den kühlen Schatten zweier Gebäude eingerahmt wurde. Die Silhouetten dreier Vögel huschten hindurch, wie hintereinander herhetzende Pfeile.
    Aliver hörte sich sagen:

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