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Acacia

Titel: Acacia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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übt. Halt dich nicht zurück. Triff mich, wenn du kannst. Ich gebe dir mein Wort, dass es keine Folgen für dich haben wird.«
    Kurz darauf standen sich die beiden Halbwüchsigen in Übungskluft in einem Kreis schweigender Schüler gegenüber, von denen viele ängstlich über die Schulter blickten, da sie fürchteten, einer der Lehrer könnte zurückkommen. Hephrons Kampfweise war verwirrend. Er behielt keinen klaren, vorhersagbaren Rhythmus bei. Ständig wechselte er das Tempo und änderte sogar mitten in der Bewegung die Schlagrichtung. Eine Zeitlang vermochte Aliver mit lockerem Handgelenk zu parieren, wobei sein Schwert weit ausholende Bögen beschrieb. Doch immer dann, wenn Aliver meinte, sich an Hephrons Rhythmus gewöhnt zu haben, änderte dieser seine Kampfweise. Er sackte eine Handbreit in sich zusammen. Sein Hieb wurde unversehens zu einem Stoß. Eine abwärtsgerichtete Bewegung verwandelte er so schnell in einen Stich, dass es so aussah, als stünden die beiden Bewegungen in keinerlei Beziehung zueinander und als sei die eine nicht der Vorläufer der anderen gewesen.
    Eine Weile gelang es Aliver, ihn abzuwehren, ohne einen Treffer einzustecken. Dabei bewegte er sich etwas hektischer, als ihm lieb war, ruckartig, mit unbeholfenen Schritten und laut keuchend, mit raschen Drehungen des Oberkörpers, die verhindern sollten, dass sein Gegner ihn berührte. Obwohl Aliver das Eschenschwert recht gut in der Hand lag, bot sich ihm kaum eine Gelegenheit, einen Hieb anzubringen. Ständig war er in der Defensive. Er wünschte, er könnte einen Moment verschnaufen, um in einen Bewegungsablauf zu finden, der ihm vom Training her geläufig war. Er verlegte sich auf die zwölfte Bewegung der Ersten Figur, bei der es darum ging, einem von links geführten weit ausholenden Hieb auszuweichen, einen Schritt vorzutreten, den unvermeidlichen Rückschlag zu blockieren, die gegnerische Klinge nach rechts unten zu drücken, zwischen die Knie des Gegners zu treten und ihm die Klinge mit einem diagonal nach oben gerichteten Stoß in die rechte Leibseite zu rammen. Mit einem solchen Hieb hatte Edifus seinem Gegner den Bauch aufgeschlitzt, sodass dessen verknäulte Eingeweide hervorgetreten waren, was seinen Kopf in eine Position brachte, die es Edifus erlaubte, ihn mühelos abzuschlagen, ein im Grunde überflüssiger Schnörkel, den Aliver sich gleichwohl häufig vergegenwärtigte.
    Dreimal begann er die Bewegungsabfolge, doch jedes Mal brachte Hephron ihn aus dem Konzept und änderte seine Taktik. Auf einmal bewegte er sich so schnell, dass Aliver sich unter einem kreisförmigen Zirkelhieb wegducken musste, der über seinen Scheitel streifte. Wäre er getroffen worden, hätte er das Bewusstsein verloren. Kein Lehrer hatte je mit solcher Kraft auf ihn eingeschlagen. Er hörte, wie jemand eine höhnische Bemerkung machte, gefolgt von aufbrausendem Gelächter. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie still es geworden war. Die einzigen Geräusche waren das Schleifen und Quietschen der Fechtschuhe auf dem Boden, ihr keuchender Atem und das trockene Knallen, mit dem die Holzklingen gegeneinanderprallten.
    Aliver wich zurück, denn er vermochte Hephrons Hiebe kaum mehr abzuwehren, er brauchte mehr Bewegungsfreiheit, und dann wurde es schon wieder eng. Er erwartete, gegen die Umstehenden zu prallen, doch der Kreis der Zuschauer bewegte sich mit ihm mit. Er öffnete sich sogar für einen Moment, als sie zu einer Säule gelangten. Er stieß mit dem Fuß gegen den Säulensockel und senkte ein wenig das Schwert, denn ihm schien das ein guter Anlass innezuhalten. Vielleicht war dies ja eine Gelegenheit, das Kräftemessen abzubrechen und lächelnd einen Scherz zu machen: nichts passiert. Hephron aber holte aus, und die Holzklinge schwirrte unter Alivers Kinn vorbei und prallte gegen die Steinsäule.
    Der Prinz taumelte nach hinten. Mit der Linken stützte er sich ab und drehte sich um die eigene Achse. Als er wieder aufrecht stand, kam ihm die Bemerkung in den Sinn, mit der alles angefangen hatte. Hephron, dieser arrogante Dummkopf! Es kam ihm absurd vor, dass er auf ihn eindrosch, als wolle er ihm den Kehlkopf zerschmettern. Sein Blick fiel auf Melio, der an der anderen Seite des Zuschauerkreises stand, das Gesicht vor Sorge angespannt. Das ärgerte ihn ebenfalls. Er wollte kein Mitgefühl. Er hob das Schwert über den Kopf und riss es wieder nach unten. Am liebsten hätte er Hephron damit zerschmettert. Selbst wenn der Hieb pariert wurde, würde er

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