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Acacia

Titel: Acacia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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kampfunfähig gemacht. Das war vielleicht eine Überraschung für den alten Burschen.«
    Melio deutete mit dem Kinn auf den Jungen. Hephron Antalar war ein Jahr älter und einen Kopf größer als die meisten anderen und hatte rötliches, gelocktes Haar. Die Anthalar waren ebenfalls Agnaten und stammten von einer Linie ab, die sich durch Heirat mehrfach mit der der Akaran gekreuzt hatte. Hephron konnte von sich sagen, dass er königlicher Abstammung sei; er konnte sogar die Stufen, die ihn vom Thron trennten, an den Fingern beider Hände abzählen. Er näherte sich inmitten eines Pulks seiner Gefolgsleute, Speichellecker, die sich an ihn klammerten, weil sie in seinem Schatten größeres Ansehen genossen als jeder für sich allein.
    Hephron verneigte sich vor dem Prinzen, und seine Gefährten taten es ihm mit mehr oder weniger gespielter Ehrerbietung nach. »Prinz«, sagte er, »seid Ihr bereit, gegen Gespenster zu kämpfen?«
    Aliver wusste sogleich, worauf er anspielte, und verspürte einen Stich. Es stellte eine Besonderheit seiner Ausbildung dar, dass Aliver und die anderen Jungen nach der grundlegenden Einweisung und den Vorführungen getrennt wurden. Die anderen bildeten Paare und gingen mit den gepolsterten Schwertern aufeinander los. Bisweilen verwendeten sie auch welche aus Holz, deren Klingen zwar keine Schnitte, bei geschicktem Gebrauch aber durchaus schmerzhafte Prellungen zufügen oder sogar Knochen brechen konnten. Aliver hingegen übte ausschließlich mit einem Lehrer, der ihn in der klassischen Kampfweise unterrichtete und peinlich genau auf Körperhaltung, Beinstellung, Atmung, Kopfhaltung und Blickrichtung seines Schülers achtete. Mit den Holzschwertern vollführten sie einen langsamen, äußerst präzisen Tanz. Aliver hatte geglaubt, dies sei etwas Besonderes und seiner Ausbildung sei eine Reinheit eigen, die ihn von den anderen unterscheide. Sie sei ein Geschenk, um das man ihn beneide. Diesen Glauben hatte Hephron nun mit einer einzigen Frage ins Wanken gebracht.
    »Gespenster?«, entgegnete Aliver. »Ich glaube nicht an Gespenster, Hephron. Ich glaube, dass die Lehrer am besten wissen, wie man den nächsten König des Landes ausbildet.«
    »Ja«, sagte Hephron. »Das stimmt wohl. Ihr habt ganz recht, wie immer.« Als er sich abwandte, verdrehte er die Augen und machte eine Bemerkung zu seinen Gefährten, die Aliver nicht mitbekam. Die anderen Halbwüchsigen entfernten sich unter belustigtem Gemurmel.
    In den nächsten Stunden bemühte sich Aliver, Hephron zu vergessen. Der Unterricht begann mit einem Vortrag. Heute trug Edvar vor, der zweite Lehrer, ein stiernackiger Mann, dessen fassförmiger Oberkörper seine Herkunft aus Candovia verriet. Er sprach über die Technik des weichen Blockierens mit dem Schwert, eine defensive Taktik, bei der man die Angriffe des Gegners mit einem Minimum an Kraftaufwand abwehrte. Dies sei nicht ungefährlich, führte er aus. Man dürfe den Gegner nicht unterschätzen, doch es sei ein nützliches Manöver, bei dem man sich die Körperkraft des Gegners zunutze mache, um dann den Druck plötzlich zu erhöhen, bevor der andere das Gleichgewicht wiedergefunden habe. Habe man einen langen Kampf vor sich, sei das eine kraftsparende Methode, die Gerta bei ihrem Kampf mit den Zwillingsbrüdern Talack und Tullus und deren drei Wolfshunden angewandt habe.
    Anschließend teilten die Schüler sich auf, um die Figuren zu üben. Dabei handelte es sich um Routineabläufe, die man aus Bewegungsabfolgen rekonstruiert hatte, die bestimmte geschichtliche Gestalten in verschiedenen Schlachten angewandt hatten. Die erste dieser historischen Persönlichkeiten war Edifus, der bei Carni einen Zweikampf mit einem Stammesführer bestritten hatte. Die zweite war Aliss, eine Frau aus Aushenia, die den Wahnsinnigen von Careven allein mit einem Kurzschwert besiegt hatte. Der Wahnsinnige von Careven galt bei den Ausheniern als eine Art Volksheld, weil er ihre alte Religion gegen die von Aliss verfochtene säkulare Bewegung verteidigt hatte. Die Dritte Figur ging auf den Ritter Bethenri zurück, der mit Teufelsgabeln, einer dem Dolch vergleichbaren Kurzwaffe mit parallel zur Klinge angeordneten langen Zinken, in den Kampf gezogen war. Wer sie geschickt zu führen verstand, konnte dem Gegner damit das Schwert entreißen.
    Weitere Figuren folgten, eine jede komplizierter als die vorhergehende, bis zur zehnten und schwierigsten, der von Telamathon, der gegen die Fünf Jünger des Gottes Reelos

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