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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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katalogisieren. Außerdem ist er dabei, mehrere
Interviews mit rekonstruierten, simulierten Menschen
zusammenzustellen, Gespräche mit logischen Positivisten aus dem
britischen Oxford. (Es sind nur diejenigen dabei, die sich nicht in
fast hirnloses Geschwätz zurückgezogen haben, als sie
merkten, dass alle ihre Zustandsvektoren Elemente der Menge aller
Mengen sind, die sich nicht selbst enthalten.) Damit befasst er sich,
wenn er nicht gerade versucht, ein stichhaltiges rationales Argument
für seine Annahme zu finden, dass der Ausdruck außerirdische Superintelligenz ein Oxymoron darstellt
und das Netzwerk des Routers nur zufällig als eine der kleinen
Kapriolen der Evolution entstanden ist.
    Doch Tante Annette hat ihn zum Besuch der Party überredet,
indem sie ihm dort eine Überraschung in Aussicht gestellt hat.
Und trotz allem anderen will er es auf keinen Fall versäumen,
die bevorstehende Begegnung von Manfred und Amber mitzuerleben.
    Sirhan steigt zu der glänzenden Kuppel aus rostfreiem Stahl
empor, wo der Eingang des Atomiums untergebracht ist, und reiht sich
in die Warteschlange vor dem Fahrstuhl ein. Er steht hinter einer
schwatzenden Schar von Frauen, die noch jung sein müssen. Alle
sind sehr schlank und mit Cocktailkleidern und Stirnreifen
herausgeputzt, deren Design Stummfilmen der Goldenen Zwanziger
entlehnt ist. (Annette hat ein Zeitalter der Eleganz zum Motto
der Themenparty erklärt, wohl wissend, dass Amber sich bei ihrem
öffentlichen Auftritt dann notgedrungen auf ihr
Äußeres konzentrieren wird.) Sirhans Aufmerksamkeit gilt
jedoch anderen Dingen. Die verschiedenen Teile seines Verstandes
führen gleichzeitig Interviews mit drei Philosophen durch (er
hat gerade das Zitat Wovon man nicht sprechen kann, darüber
muss man schweigen in Arbeit) und kontrollieren zwei Bots, die
die sanitären Einrichtungen und die Klimaanlage des Museums
überholen. Außerdem ist er damit beschäftigt, mit
Aineko durchzusprechen, was ihr an dem fremdartigen, den Braunen
Zwerg Hyundai +4904 / -56 umkreisenden Artefakt
aufgefallen ist. Was sonst noch von ihm übrig ist, zeigt in etwa
so viel gesellschaftliche Präsenz wie ein eingelegter
Kohlkopf.
    Schließlich kommt der Fahrstuhl, nimmt eine ganze Ladung
Fahrgäste auf und setzt sich in Bewegung. Während der Lift
den sechzig Meter langen Schacht zur Aussichtswarte ganz oben im
Atomium hinaufrast, fühlt sich Sirhan durch das sprudelnde
Gelächter der High Society und ein aromatisches
Rauchwölkchen, das aus einer unglaublichen Zigarettenspitze aus
Elfenbein entweicht, in die Ecke gedrängt.
    Der obere Teil des Atomiums besteht aus einer Stahlkugel von zehn
Metern Durchmesser. Wendel- und Rolltreppen verbinden sie mit den
sieben anderen Kugeln der achteckigen Konstruktion, die auf der
Weltausstellung von 1950 die Hauptattraktion darstellte. Im
Unterschied zu den meisten anderen Exporten aus Brüssel sind bei
diesem Gebilde noch die ursprünglichen Teilchen und Atome
erhalten. Mit enormem Kostenaufwand hat man die winkligen
Aluminiumkonstruktionen, die noch vor Beginn des Zeitalters der
Raumfahrt entstanden sind, zum Saturn befördert.
    Als der Fahrstuhl mit leichtem Ruck anhält, taumelt eines der
erlebnishungrigen Mädchen nach hinten und rempelt Sirhan
unabsichtlich an. »Entschuldigung«, piepst sie. Erstaunt
blickt er auf, ohne ihren schwarzen Bubikopf und die kunstvollen, von
Pigmenten erzeugten Lidschatten richtig zu bemerken. »Macht doch
nichts«, sagt er. Im Hintergrund lässt sich Aineko
sarkastisch darüber aus, wie wenig Interesse die Besatzung der Field Circus an ihren eigenen Bemühungen gezeigt hat, den
Trittbrettfahrer, die Schnecke, zu dekompilieren. Ihr Geschwätz
lenkt Sirhan zwar fürchterlich von anderen Dingen ab, aber er
möchte um jeden Preis begreifen, was da draußen passiert
ist. Es ist der Schlüssel zum Verständnis der Obsessionen
und Schwächen seiner Pseudo-Mutter und wird sich seinem
Gefühl nach in naher Zukunft noch als wichtig erweisen.
    Um der schwatzenden Schar herausgeputzter, erlebnishungriger
Mädchen zu entkommen, tritt er auf die untere von zwei
Plattformen aus rostfreiem Stahl hinaus, die sich quer durch die
Kuppel ziehen. Nachdem er von einer umsichtigen
menschenähnlichen Bedienung einen Fruchtsaftcocktail
entgegengenommen hat, schlendert er auf eine Reihe dreieckiger
Fenster zu, die Ausblick auf das Stadion vor dem Amerikanischen
Pavillon und das World Village bieten. Die Stahlwände sind hier
oben mit türkis getünchten

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