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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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werden. Schwarze
Haare, eine Kette mit riesigen Perlen, ein schmal geschnittenes,
bodenlanges schwarzes Kleid, ein herzförmiges Gesicht, das im
Augenblick leicht verlegen wirkt. Sie könnte gut und gern als
Klon Audrey Hepburns durchgehen. »Hab ich Sie nicht gerade im
Fahrstuhl gesehen?« Die Verlegenheit steigt ihr
unübersehbar in die Wangen.
    Auch Sirhan errötet und weiß nicht, was er erwidern
soll. Genau in diesem Moment taucht ein Störenfried auf und
drängt sich zwischen die beiden. »Sind Sie der Kurator, der
die präkambrische Galerie nach teleologischen Gesichtspunkten
umstrukturiert hat? Dazu hab ich einiges zu sagen!« Der
Störenfried ist groß, anmaßend und blond. Sirhan
hasst die Frau, die ihm mit dem Finger droht, auf den ersten
Blick.
    »Ach, halt den Mund, Marissa, das hier ist eine Party. Du
nervst schon den ganzen Abend«, fährt ihr Rita, die
Geschichtsforscherin, in die Parade.
    Sirhan ist verblüfft. »Macht doch nichts«, bringt
er mühsam hervor. Irgendetwas in seinem Hinterkopf veranlasst
sein willfähriges, der Katze lauschendes Marionetten-Ego dazu,
sich aufzurappeln und seinen Verstand mit einem ganzen Brocken
frischer Erinnerungen zu füttern. Irgendwie geht es darum, dass
der missratene Nachwuchs ein Sternenschiff losgeschickt hat,
damit es etwas vom Router holt. Aber die Menschen ringsum nehmen
Sirhan so in Anspruch, dass er es für später abspeichern
muss.
    »Doch, macht wohl was!«, erklärt Rita und deutet
auf den Störenfried, der gerade etwas über die
Untauglichkeit teleologischer Interpretationen erzählt, um sich
zu rechtfertigen. »Plonk. Puh. Wo waren wir stehen
geblieben?«
    Sirhan wundert sich maßlos: Plötzlich scheint
außer ihm niemand mehr auf diese nervende Marissa zu achten.
»Was ist denn eben passiert?«, fragt er
argwöhnisch.
    »Hab ihr einen Killfile verpasst und sie aus dem
Verkehr gezogen. Erzählen Sie mir bloß nicht, dass Sie
noch kein Superplonk benutzen?!« Rita übermittelt
ihm unverzüglich eine (gegen die Umgebung abgesicherte)
Vorstellung von Superplonk, die er vorsichtig entgegennimmt.
Gleich darauf beauftragt er zwei spezielle Turing Oracles, Entscheidungsfinder in Turingmaschinen, das Programm auf
Schleifen hin zu überprüfen. Offenbar handelt es sich um
irgendein optisch arbeitendes Programm, das den Temporallappen
anzapft und sich Zugang zu einer gemeinschaftlichen Datenbank von Eigenfaces verschafft. Darüber hinaus stellt eine Art
Unterprogramm eine Schnittstelle zum Broca-Areal her, dem motorischen
Sprachfeld des Gehirns. »Damit können Sie Partys ohne
unangenehme Auseinandersetzungen genießen.«
    »Hab noch nie erlebt, dass…« Sirhans Stimme
verliert sich, während er gedankenverloren das Modul lädt.
(Irgendwo in seinem Hinterkopf hört er die Katze
weiterschwafeln: über Gottesmodule, metastatische
Quantenverschränkungen und die Schwierigkeit, nach gewissen
Vorgaben angefertigte, maßgeschneiderte Persönlichkeiten
auf Abruf zur Verfügung zu stellen. Wenn sie hin und wieder eine
Pause einlegt, nickt er weise dazu.) Plötzlich klappt bei ihm
etwas wie ein geistiges Augenlid herunter. Als er sich umsieht,
bemerkt er auf einer Seite des Raums einen vagen Klecks, der
nervtötend brummt. Seine Mutter scheint sich angeregt mit ihm zu
unterhalten. »Das ist recht interessant«, sagt er zu
Rita.
    »Ja, bei solchen Veranstaltungen leistet es unbezahlbare
Dienste.« Rita verblüfft ihn damit, dass sie nach seinem
linken Arm greift – ihre Zigarettenspitze zieht sich dabei so
zusammen, dass sie nur noch als leichte Verdickung am Handgelenk
ihres Abendhandschuhs zu sehen ist – und ihn zu einer Bedienung
geleitet. »Das mit Ihrem Fuß vorhin tut mir Leid. Der
Fahrstuhl war wohl ein wenig überlastet. Ist Amber Macx wirklich
Ihre Mutter?«
    »Nicht direkt. Sie ist meine Eigenmutter«, (*
Eigenmutter: im englischen Original eigenmother, siehe auch eigenfaces an früherer Stelle im Text; es handelt sich
dabei um Neologismen, die an physikalische Begriffe wie Eigenschwingung, Eigenfrequenz etc. angelehnt sind.
Ausgedrückt wird damit die Reflexion eines ursprünglichen
Elements, die mit eben diesem ursprünglichen Element
interferiert. Anm. d. Ü.) murmelt er, »das
reinkarnierte Download der Version, die an Bord der Field Circus nach Hyundai +4904 / -56 flog. Diese Version
hat anstelle meines Vaters einen französisch-algerischen
Analysten von Betrugsmanövern im Netz geheiratet, allerdings
haben sie sich vor ein paar Jahren scheiden

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