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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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die Replikation in Gang zu setzen. Und ich glaube, Aineko könnte bereit sein, mitzukommen und die
Verhandlungen über Leistung und Preis zu übernehmen.«
Er streckt die rechte Handfläche hoch und übermittelt dem
Cache des vom inneren Zirkel gemeinschaftlich genutzten Speichers
eine Reihe von Tags.
    Hummer. Es ist Jahrzehnte her, dass die Hummer-Uploads aus
dem trüben Ödland der von der Depression gebeutelten,
schlimmen Nullerjahre geflohen sind. Damals hat Manfred ihnen ein
Tauschgeschäft vermittelt, das ihnen eine eigene Kolonie und
Fabrik auf einem Kometen eingebracht hat. Jahre später ist
Ambers Expedition zum Router zufällig auf unheimliche
Hummer-Zombies gestoßen, auf heraufgeladene Images, die sich
die Wunch angeeignet und reanimiert hatten. Doch wo die echten Hummer
abgeblieben waren…
    Einen Moment lang sieht Rita sich selbst in Dunkelheit und Leere
treiben, hört den fernen Sirenengesang einer planetaren
Gravitationssenke weit unter sich. Zu ihrer Linken? – ist es
Richtung Norden? – leuchtet eine schwach rötliche
Nebelwolke, so groß wie ein von der Erde aus betrachteter
Vollmond. Als ständiges Hintergrundgeräusch dringt ein
Summen aus der Wolke. Es ist die Abwärme einer galaktischen
Zivilisation, die mit heftigen farblosen Gedanken vor sich hin
träumt. Gleich darauf findet Rita heraus, wie sie ihr
»Blickfeld« (obwohl sie weder die Augen benutzt noch
zwinkert) verschieben kann, und erkennt das Raumfahrzeug.
    Es ist ein dreitausend Meter langes Sternenschiff, das die Form
eines Krustentiers hat, flach und in verschiedene Abschnitte
unterteilt. Aus dem Unterleib ragen Beine heraus. Sie sind steif zur
Seite gestreckt und enden in Klauen, die prall gefüllte Ballons
umklammern. Die Ballons sind mit Treibstoff aus kryogenischem
schwerem Wasserstoff-Deuterium – gefüllt. Der metallisch
blaue Schwanz, das Heck, besteht aus flachen Schwingen, die den
empfindlichen Stachel eines Fusionsreaktors einhüllen. Nahe am
Kopf sieht die Sache anders aus: Hier gibt es keine riesigen Klauen,
sondern nur das fein verzweigte Gewirr der Busch-Roboter, deren
Nanoassembler sich bereit halten, jeden Schaden buchstäblich im
Fluge zu beheben oder die Fangvorrichtung eines Ramscoops –
eines Bussard-Kollektors – auszufahren, sobald das Schiff
abbremst. Der Kopf ist massiv gepanzert, um Blitzkrieg-Attacken von
Sternenstaub abwehren zu können. Die funkelnden Radaraugen
bestehen aus sechseckigen Facetten und starren Rita mit direktem
Blick an.
    Jenseits und unterhalb des Hummer-Schiffs ragt ein riesiger,
feiner Planetenring ins Blickfeld. Der Hummer befindet sich in einer
Umlaufbahn um den Saturn, nur Lichtsekunden entfernt. Und
während Rita das Schiff sprachlos vor Verblüffung mustert, zwinkert es ihr zu.
    »Die Hummer haben keine Namen, zumindest keine
individuellen«, erklärt Manfred entschuldigend,
»deshalb habe ich ihn gefragt, ob es ihm was ausmacht, wenn wir
ihm irgendeinen geben. Er hat sich für Blue entschieden,
weil er blau ist. Also stelle ich euch hiermit den guten alten Hummer Something Blue vor.«
    Sirhan unterbricht ihn. »Trotzdem brauchst du mein Projekt
mitsamt dem Abhängigkeitsgraphen« – er klingt
irgendwie blasiert –, »damit du den Weg durch das Netzwerk
findest, stimmt’s? Hast du schon ein bestimmtes Ziel vor
Augen?«
    »Ja auf beide Fragen. Wir müssen duplizierte Agenten zu
jedem möglichen Endpunkt des Routers aussenden, auf ein Echo
warten und es danach zu beiden Seiten hin wiederholen. Es ist ein
Prozess der Rückverfolgung, bei dem es zunächst
darum geht, die Tiefe auszuloten. Das Ziel – diese Frage ist
schwieriger zu beantworten.« Er deutet auf die Zimmerdecke, die
sich gerade zu einem chaotischen, dreidimensionalen Spinnengewebe
auflöst. Nachdem Rita ihre Nase einige Stunden lang (Stunden
subjektiver Zeitrechnung) ins Archiv gesteckt hat, erkennt sie darin
eine Karte, die die Verteilung dunkler Materie im Umkreis von einer
Milliarde Lichtjahren zeigt. Wie Staubflocken kleben die Galaxien an
Knotenpunkten, wo die gesponnenen Seidenfaden zusammenlaufen.
»Schon seit fast einem Jahrhundert wissen wir, dass sich da
draußen, jenseits des Bootes-Vakuums, etwas Verrücktes
tut. Es gibt dort ein paar galaktische Supercluster, in deren
Umgebung die kosmische Hintergrund-Anisotropie sich irgendwie seltsam
verhält. Die meisten Rechenprozesse erzeugen als Nebenprodukt
Entropie. Und es sieht so aus, als ob irgendetwas die Abwärme
aus allen Galaxien der Raumregion in diesem

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