Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
Vom Netzwerk:
Teams
beherrscht.
    »Hör auf, dich selbst zu belügen«, übermittelt Rita als Antwort. » Was deine Ziele und
Motive betrifft – da machst du dir was vor. Mag sein, dass du
gar nicht die Wahrheit darüber erfahren willst, was dein
Doppelgänger herausgefunden hat, aber ich will darüber
Bescheid wissen. Und ich werde nicht zulassen, dass du das, was
geschehen ist, leugnest.«
    »Was schon? Einer deiner Agenten hat ein Ebenbild von mir
verführt…«
    »So ein Quatsch…«
    »Hast du vor, dieses Programm öffentlich
anzukündigen?«, fragt der junge, alte Kerl nahe am Podium,
der Euro-Politiker. »Falls ja, wirst du nämlich Ambers
Wahlkampf unterminieren…«
    »Ist schon in Ordnung«, sagt Amber müde. »Ich
bin daran gewöhnt, dass Dad mich auf seine eigene unnachahmliche
Weise unterstützt.«
    »Ist okay«, meldet sich eine neue Stimme. »Ich bin
glücklich, im Wartezustand in Ekliptik herumzustreifen.« Es
ist das Rettungsschiff der befreundeten Hummer, das aufgrund seiner
Flugbahn außerhalb des Ring-Systems und des Aberrationswinkels
nur verzögert mit ihnen kommunizieren kann.
    »… Du versteckst dich gern hinter der scheinheiligen
Haltung moralischer Integrität, weil sie dir deiner Meinung nach
das Recht gibt, auf andere Menschen herabzusehen. Doch unter dieser
Tünche bist du genau wie jeder andere…«
    »… Sie hat dich darauf angesetzt, mich
anzumachen, stimmt’s? Du spielst nur den Lockvogel in ihrer
Intrige…«
    »Die Idee war, lernfähige Backups im Cargo-Cache des
neuronalen Geflechts im ’ummermagen abzuspeichern –
für den Fall, dass eine schwach gottähnliche Kraft aus dem
inneren Sonnensystem die Antikörper zu aktivieren versucht, die
jetzt schon kreuz und quer in der Festival-Zivilisation der
Saturn-Region verbreitet sind«, erklärt Annette, um Manfred
beizuspringen.
    Niemand sonst im Besprechungsraum scheint zu bemerken, dass Rita
und Sirhan damit beschäftigt sind, einander über den
privaten Kanal nach Kräften zur Sau zu machen und wie in einem
Rosenkrieg mit emotionalen Handgranaten zu bombardieren. »Es ist
keine befriedigende Lösung der Evakuierungsfrage, aber es
müsste eigentlich den grundsätzlichen Forderungen der
Konservativen Genüge tun. Und als
Rückversicherung…«
    »… Genau, schieb nur alles auf deine Eigenmutter! Ist
dir je der Gedanke gekommen, dass sie vielleicht gar nicht
genügend Interesse an dir hat, um einen solchen Trick an dir
auszuprobieren? Ich glaube, du hast zu viel Zeit mit deiner
verrückten Großmutter verbracht. Dieses Ebenbild von dir
hast du nicht mal in dein Gedächtnis integriert, oder? Hattest
zu viel Angst, dich damit zu besudeln! Ich wette, du hast dir auch
nicht die Mühe gemacht zu überprüfen, was du tief
innen dabei eigentlich empfunden hast…«
    »… Ich habe…«, Sirhan stockt einen
Augenblick, weil die Persönlichkeitsmodule wie ein Schwarm
aufgebrachter Bienen in sein Gehirn hinein- und wieder
herausschwirren, »… mich wie ein Idiot verhalten«, fügt er leise hinzu und sackt wieder auf
dem Stuhl zusammen. »Das ist dermaßen
peinlich…« Er birgt das Gesicht in den Händen. »Du hast Recht.«
    » Tatsächlich?« Nach und nach weicht Ritas
Verwirrung dem Verständnis: Inzwischen hat Sirhan die
Erinnerungen der Agenten, die sie zu einem früheren Zeitpunkt
miteinander ausgetauscht haben, doch noch in sein Gedächtnis
integriert. Den hochnäsigen, stolzen Sirhan muss diese kognitive
Dissonanz bestimmt schwer treffen. »Nein, hab ich nicht. Du
hast nur eine viel zu ausgeprägte Abwehrhaltung.«
    »Ich bin…« Verlegen. Weil Rita ihn durch und
durch kennt. Über die Erinnerungen ihres zweiten Ichs
verfügt, das sechs Monate mit ihm in einem Simulationsraum
verbracht hat. Dieses Ich hat Ideen durchgespielt, Intimitäten
und später Geheimnisse mit ihm ausgetauscht. Vermittelt durch
dieses zweite Ich, erinnert sie sich an seine Umarmungen, an eine
stürmische Affäre, die sich vielleicht auch im realen Raum
entwickelt hätte, wäre seine spontane Reaktion auf diese Möglichkeit anders ausgefallen. Hätte er diesen, von unreinen Gedanken verseuchten Teil seines Verstandes nicht
sofort auf Eis gelegt und alles von sich gewiesen.
    »Wir wissen noch nicht, wie die Bedro’ung im Einzelnen
aussieht«, sagt Annette mitten in ihr privates Gespräch
hinein. »Falls über’aupt eine direkte Bedro’ung
besteht – was wir bislang nicht sagen können, denn
vielleicht ist der missratene Nachwuchs ja auch so weise, uns
einfach in Ruhe zu

Weitere Kostenlose Bücher