Accelerando
soll.«
Sie zieht eine Grimasse. »Warum sollte ich?«
»Oh, ohne besonderen Grund. Ich komme nur nicht darüber
hinweg, dass…« Er zuckt unbehaglich die Achseln. Da ist es
wieder, dieses merkwürdige Gefühl, dass in seinem Leben
etwas fehlt, allerdings spürt er noch keinen sonderlich starken
Drang, diese Lücke zu stopfen. Fühlt man sich so in einer
Beziehung von ebenbürtigen Partnern? Er ist sich nicht sicher.
Seine früheren Bezugspersonen haben es stets geschafft, ihn zu
beherrschen, und er hat sich gern beherrschen lassen. Das war schon
während seiner ihn einengenden Kindheit so, als er sich im
Schoß der Familie einigelte, und es hat sich in den Beziehungen
fortgesetzt, die er als Erwachsener eingegangen ist.
Nun ja, vielleicht hat die Konditionierung, die ihm den Hang zur
Unterwürfigkeit nehmen soll, mittlerweile doch Wirkung. Aber
falls das zutrifft, warum dann diese Blockade der Kreativität?
Warum sind ihm die ganze Woche über keine originellen neuen
Ideen gekommen? Kann es sein, dass seine besondere Art von
Kreativität ein Ventil ist, dass er den Druck liebevoller
Versklavung braucht, um mit jeder Menge großartiger,
fantasievoller, brillanter Ideen herauszuplatzen? Oder ist es
vorstellbar, dass er Pam tatsächlich vermisst?
Annette steht auf und geht langsam zu ihm hinüber. Als er sie
ansieht, empfindet er Zuneigung und sexuelles Begehren, ist sich aber
nicht darüber im Klaren, ob es wirklich Liebe ist. »Wann
wollten die ’ier sein?«, fragt sie und beugt sich über
ihn.
»Müssten eigentlich jeden Moment…« Es klingelt
an der Tür.
»Ah, ich mache schon auf.« Sie stakst davon und
öffnet.
»Sie!«
Manfreds Kopf fährt herum, als hätte jemand an seiner
Leine gezerrt. Sie ist es, die ihn wieder mal an der Leine
hat. Allerdings hat er auch nicht damit gerechnet, dass sie hier
persönlich erscheinen würde.
»Ja, ich«, erwidert Annette leichthin. »Treten Sie
ruhig ein.«
Mit blitzenden Augen spaziert Pam ins Wohnzimmer, im Schlepptau
ihren handzahmen Rechtsanwalt. »Ach, sieh mal an, was das
Roboterkätzchen hereingeschleppt hat«, sagt sie gedehnt und
fixiert Manfred dabei mit einer Miene, aus der eher Wut als Humor
spricht. Diese unverhüllte Feindseligkeit sieht ihr gar nicht
ähnlich, sodass er sich fragt, was die Ursache sein mag.
Manfred erhebt sich von seinem Platz. Als er seine Domina-Ehefrau
und seine… Mätresse? Mitverschwörerin? Geliebte?…
Seite an Seite sieht, ist er einen Augenblick wie gelähmt. Der
Kontrast ist bemerkenswert: Annettes Miene ironischer Belustigung
liefert den Hintergrund für Pamelas keineswegs gespielte Wut.
Irgendwo hinter den beiden ist ein formell gekleideter Mann mittleren
Alters stehen geblieben, dessen Kopf bereits kahl wird. Er hat eine
Aktenmappe dabei. Genau der Typ des gewissenhaften Dieners, in den
Pam vielleicht auch ihn verwandelt hätte, wäre ihr dazu
Zeit geblieben. Schließlich bringt Manfred ein Lächeln
zustande. »Darf ich euch Kaffee anbieten? Die dritte Partei
scheint spät dran zu sein.«
»Kaffee wäre großartig. Ich nehme meinen ohne
Milch und Zucker«, zwitschert der Rechtsanwalt, legt die
Aktenmappe auf einem kleinen Tisch ab und fingert an seiner Brille
herum, bis im Rahmen ein Lämpchen aufblinkt. »Sicher haben
Sie Verständnis dafür, dass ich das hier
aufzeichne.«
Annette rümpft die Nase und macht sich auf den Weg zur
Küche, die bezaubernd altmodisch, allerdings nicht sonderlich
funktional eingerichtet ist, denn man muss darin noch fast alles von
Hand machen.
Pam tut so, als wäre Annette Luft. »So, so.« Sie
schüttelt den Kopf. »Ich hätte dir Besseres zugetraut
als das Boudoir einer französischen Nutte, Manny. Und das, ehe
die Tinte auf der Scheidungsurkunde getrocknet ist. In der jetzigen
Situation wird dich das einiges kosten, hast du das denn gar nicht
bedacht?«
»Ich wundere mich, dass du nicht in der Klinik bist«,
sagt er, um das Thema zu wechseln. »Wird heutzutage auch die
Rekonvaleszenz nach der Geburt an externe Dienstleister
vergeben?«
»Wenn man erst mal meinen Dienstgrad erreicht hat, sorgen die
Arbeitgeber für alles.« Sie lässt den Mantel von den
Schultern gleiten und hängt ihn hinter der breiten Holztür
auf. Das Kleid, das sie trägt, ist sehr kurz und sehr teuer
– es ist die Art von Waffe im Geschlechterkampf, für die
eigentlich ein Waffenschein verlangt werden müsste. Doch zu
seiner Verblüffung verfehlt das Kleid jede Wirkung auf ihn. Pams
femininer Sex lässt ihn so
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