Accelerando
durch die dynamischen Darstellungen in den
Instruktionen – größtenteils langweilige
UML-Diagramme, die gesetzliche Vorgaben darstellen –, weil sie
zum Kern des Plans vordringen will. Der Jemen zählt zu den
wenigen Ländern, die sowohl die traditionelle sunnitische
Scharia als auch das trickreiche beschränkte Haftungsrecht
für Gesellschaften in Kraft gesetzt haben. Der Besitz von
Sklaven ist hier erlaubt, sofern man sich an eine bestimmte Legende
hält. Danach hat der Besitzer dem Arbeiter, der ihm vertraglich
verpflichtet ist, gewisse Vorschusszahlungen geleistet, die dieser
gegen Zins zurückerstatten muss. Sofern das unglückselige
Opfer aufgrund der immensen Zinssätze den Rückzahlungen
nicht rechtzeitig nachkommen kann, erhält es den Status eines
Sklaven. Und selbstverständlich sind im Jemen Firmen, die auf
Sklavenarbeit basieren, gesetzlich anerkannte
Körperschaften.
Falls Amber sich an die hier aufgeführte Gesellschaft
verkauft und zur Sklavin wird, haftet das Unternehmen in rechtlicher
Hinsicht für Ambers Handlungen und ist zu ihrem Unterhalt
verpflichtet. Der Rest der rechtlichen Rahmenbedingungen – rund
neunzig Prozent davon – besteht aus einer Aufstellung flexibel
handhabbarer, in juristischen Jargon gekleideter
Unternehmensrichtlinien. Unter anderem wird den beteiligten
Gesellschaften das Recht auf Turing-Vollständigkeit zugestanden,
das heißt sie können universelle Turing-Maschinen setzen,
die Berechnungen jedes anderen beteiligten Rechnersystems und jeder
anderen Programmiersprache nach vollziehen und emulieren können.
In diese Rahmenbedingungen ineinander verschachtelter Firmen mit
einer Dachgesellschaft ist der Vertrag, der Amber zur Sklavin macht,
eingebettet.
Irgendwo weiter hinten in diesem vertrackten Dokument ist ein
Treuhandfonds aufgeführt, dessen Hauptnutznießerin und
Anteilseignerin Amber ist. Sobald sie volljährig ist, soll sie
uneingeschränkte Kontrolle über alle Gesellschaften
erlangen, die diesem Netzwerk angeschlossen sind; der Vertrag, der
sie zur Sklavenarbeit verpflichtet, ist damit nichtig. Bis dahin
überwacht der Treuhandfonds (dessen Hauptanteilseignerin sie
ist) das Unternehmen, dem sie als Sklavin angehört, und
schützt es vor feindlicher Übernahme.
Oh, außerdem hat eine außerordentliche
Hauptversammlung beschlossen (und das Netzwerk der Gesellschaften
entsprechend instruiert), das Vermögen des Treuhandfonds
unverzüglich nach Paris zu transferieren. Ein Ticket für
den einfachen Flug nach Paris ist beigefügt.
»Was meinst du, soll ich es nutzen?«, fragt sie
unsicher. Schwer zu sagen, wie schlau die Katze wirklich ist.
Wahrscheinlich herrscht hinter deren semantischen Netzwerken
gähnende Leere, wenn man tief genug gräbt, aber ihre
Geschichte klingt recht überzeugend.
Die Katze kauert sich nieder und legt den Schwanz schützend
um die Pfoten. »Ich sage gar nichts, verstehst du? Wenn du das
Ticket annimmst, kannst du losziehen und bei deinem Vater leben. Aber
es wird deine Mutter nicht davon abhalten, ihn mit der Pferdepeitsche
zu verfolgen. Und dich mit einer ganzen Gruppe von
Rechtsanwälten und einem Satz Handschellen. Wenn du meinen Rat
willst: Ruf die Franklins an, schließ dich ihrer
Schürf-Expedition im All an, geh an Bord. Im All kann dich
niemand vorladen. Außerdem haben die Franklins
längerfristig vor, in den CETI-Markt einzusteigen und
Netzwerkpakete der Aliens zu knacken. Willst du meine ehrliche
Meinung hören? Du würdest Paris nach kurzer Zeit satt
haben. Dein Vater und diese Froschfresser-Schlampe sind lebenslustige
Swinger, verstehst du? In ihrem Leben ist kein Platz für ein
Kind. Auch nicht für eine Katze wie mich, wenn ich jetzt
darüber nachdenke. Sie arbeiten den ganzen Tag für den
Senator und sind die ganze Nacht auf der Piste, ziehen sich Drogen
rein, besuchen Fetisch-Partys, Raves, die Oper, ziehen all diesen
Scheiß ab, den Erwachsene so tun. Dein Vater trägt
öfter Damenkleider als deine Mom. Und deine Tante Nettie
führt ihn an einer Kette in der Wohnung herum, wenn sie’s
nicht gerade lautstark auf dem Balkon miteinander treiben. Sie
würden dir die Luft zum Atmen nehmen, Mädchen. Ist nicht
gut, wenn du’s mit Eltern aufnehmen musst, die mehr vom Leben
haben als du selbst.«
»Ha.« Amber rümpft die Nase. Einerseits widert das
durchsichtige Intrigenspiel der Katze sie an, andererseits glaubt sie
halb und halb, dass an deren Gerede was dran ist. Ist wohl besser,
wenn ich mich gründlich damit
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