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Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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diesen
Leuten zu eröffnen. Vielleicht beantworten sich die schwierigen
Fragen auf diese Weise ganz von selbst – das wäre die
elegante Lösung. Falls er die Fremden davon überzeugen
kann, dass ihre Pläne in die Irre führen, besteht keine
Notwendigkeit, sich mit ihnen anzulegen. Keine Notwendigkeit, die
Frommen vor dem neuen Turm von Babel zu schützen, den diese
Leute errichten wollen. Wenn es der Frau namens Pamela mit dem, was
sie schreibt, tatsächlich ernst ist, muss er nicht bis zum Ende
aller Tage hier draußen in der Kälte zwischen den Welten
ausharren, getrennt von seinen alten Eltern, seinem Bruder, den
Freunden und Kollegen. Und dafür wird er aus tiefstem Herzen
dankbar sein, denn in seinem Innersten ist ihm klar, dass er viel
mehr von einem Gelehrten als von einem Krieger hat.
     

     
    »Entschuldigung, aber der Borg versucht, eine Klageschrift in
binären Code umzuwandeln«, sagt der Empfang. »Bleibst
du dran?«
    »Mist.« Amber blinzelt den Umriss des mit binärem
Code arbeitenden Empfangsgeräts weg, der ihr ins Auge projiziert
wird, und blickt sich in der Kabine um. »Das ist so altmodisch wie im letzten Jahrhundert«, grummelt sie.
»Für wen halten die sich denn?«
    »Für Dr. Robert H. Franklin«, erwidert die Katze
ungefragt. »Die Sache ist zum Scheitern verurteilt, wenn du mich
fragst. Bob war ja dermaßen scharf auf sein Dope. Und jetzt ist
da dieser ganze kollektive Hippie-Verstand, der damit aufgewachsen
ist, Bobs Zustandsvektor als Wasserpfeife zum Antörnen zu
benutzen…«
    »Halt die Klappe, verdammt noch mal«, brüllt Amber
sie an, doch es tut ihr sofort Leid, denn in einem aufblasbaren
Raumfahrzeug herumzuschreien gilt als schwerer Fauxpas.
»Entschuldigung.« Sie erzeugt einen autonomen Agenten mit
voller parasympathetischer Kontrolle über das Nervensystem und
trägt ihm auf, sie zu beruhigen. Gleich darauf erzeugt sie
weitere Agenten und schickt sie aus, um Fuqaha zu werden,
Experten für die Gesetze der Scharia. Ihr ist klar, dass sie
viel zu viel der kostbaren Bandbreite des fliegenden Waisenhauses
verbraucht – Zeit, die sie später in Form von Arbeitsdienst
zurückzahlen muss –, aber es geht nicht anders. »Mom
ist zu weit gegangen. Diesmal ist es Krieg.«
    Sie stürzt aus ihrer Kabine und wirbelt in der zentralen
Achse des Habitats herum wie ein bösartiges Geschoss, das ein
Ziel sucht, an dem es seine Wut auslassen kann. Ein Tobsuchtsanfall
wäre jetzt gut…
    Aber ihr Körper sagt ihr, dass es besser ist, sich zu
beruhigen und bis zehn zu zählen. In ihrem Hinterkopf nervt die
schriftliche Mitteilung, und sie fühlt sich frustriert,
wütend und unbeherrscht, doch der Jähzorn legt sich.
    Genau so war es vor drei Jahren gewesen, als Mom auffiel, dass
ihre Tochter allzu gut mit Jenny Morgan auskam. Es dauerte nicht
lange, bis sie mit Amber in einen anderen Schulbezirk umzog,
angeblich wegen dienstlicher Pflichten, aber Amber wusste es besser.
Ihre Mutter hatte um diesen neuen Auftrag gebeten – nur, um ihre
Tochter in Abhängigkeit und Hilflosigkeit zu halten. Mom ist ein
Kontrollfreak mit festen Vorstellungen von Kindererziehung. Und
seitdem sie Dad ziehen lassen musste, ist Amber die einzige Person,
in die sie ihre Klauen schlagen kann. Pamela hat sich die Erziehung
ihrer Tochter zur Lebensaufgabe gemacht, und das ist keine einfache
Aufgabe, denn Amber eignet sich nicht gut zum Opfer, ist schlau und
obendrein noch gut vernetzt. Doch jetzt hat Mom eine Möglichkeit
gefunden, ihre Tochter völlig in den Griff zu bekommen und ihr
alles zu vermasseln, selbst in der Umlaufbahn um den Planeten
Jupiter. Und wären da nicht die Schädelimplantate, die die
Dinge unter Kontrolle halten, würde Amber jetzt völlig
ausrasten.
    Amber unterlässt es, ihre Katze weiter anzubrüllen oder
zu versuchen, den Franklins eine Nachricht zu übermitteln.
Stattdessen macht sie sich auf die Suche nach dem derzeitigen
Aufenthaltsort des fleischlichen Borg.
    Es sind sechzehn Mitglieder des Borg an Bord der Sanger – Erwachsene, Angehörige des Franklin-Kollektivs,
Hausbesetzer, die sich in den Ruinen von Bob Franklins nachgelassenen
Visionen eingerichtet haben. Einen Teil ihrer Gehirnkapazitäten
widmen sie der Aufgabe, das herunterzuladen, was die Wissenschaft vom
Verstand des toten dot.com-Milliardärs retten und wiederbeleben
konnte. Dadurch haben sie Bob zum ersten Bodhisattva des
Cyberspace-Zeitalters gemacht, mal abgesehen von der Kolonie der
Hummer.
    Die »Hausmutter« des Borg ist

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