Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Accelerando

Accelerando

Titel: Accelerando Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
Vom Netzwerk:
die ganze
Nation erfasst. Frühere Reisbauern tauschen jetzt Plastik und
Milchkühe gegen Seide ein, während ihre Kinder
Meeresbiologie studieren und Deiche konstruieren. Fast achtzig
Prozent der Einwohner besitzen Handys und nur noch rund zehn
Prozent sind Analphabeten. Das früher arme Land befreit sich
endlich aus der Falle seiner überlieferten Infrastruktur und
beginnt sich zu entwickeln. Noch eine Generation, dann wird
Bangladesch Japan überflügeln.
    Radikale neue Wirtschaftstheorien befassen sich vor allem mit
Bandbreite, der Übertragung von Daten mit
Lichtgeschwindigkeit und den Implikationen von CETI, der
Kommunikation mit außerirdischen Intelligenzen. Kosmologen
und Quanten wirken dahingehend zusammen, dass bizarre
relativistische Finanzinstrumente ins Blickfeld rücken. Der
Raum (der das Speichern von Informationen zulässt) und dessen
Struktur (die die Verarbeitung von Daten ermöglicht) nehmen
Wert an, während unintelligente Masse wie zum Beispiel Gold
an Wert verliert. Die inzwischen fast obsoleten Kerngeschäfte
des traditionellen Aktienmarkts befinden sich im freien Fall;
angesichts des Ansturms von Replikatoren, die Materie
reproduzieren können, und Ideen, die sich ganz von selbst den
Gegebenheiten anpassen, zerbrechen die traditionellen
Hightech-Unternehmen, die Mikroprozessoren sowie biotechnologische
und nanotechnologische Produkte erzeugt haben. Die Erben scheinen
willens zu sein, eine neue Welle wilden Spekulantentums
loszutreten; sie verpfänden die Zukunft eines ganzen
Jahrtausends für die Chance, von fremden Intelligenzen, die
vielleicht eines Tages Kontakt aufnehmen werden, mit Geschenken
bedacht zu werden. Microsoft, einst der amerikanische Stahlriese
des Chip-Zeitalters, verschwindet stillschweigend von der
Bildfläche und wird abgewickelt.
    Im australischen Buschland geraten Assembler außer
Kontrolle und beschwören ein Green-Goo-Szenario herauf. Um Rohstoffe für die Selbstreplikation zu
gewinnen, fressen die brutalen biomechanischen Replikatoren alles
auf, was ihnen in den Weg kommt. Durch flächendeckende
Bombardierung mit Sprengkörpern, die ein
Kraftstoff-Luft-Gemisch enthalten, versucht man dort, der Lage
Herr zu werden. In Folge dieser Ereignisse reaktiviert die
amerikanische Luftwaffe zwei gründlich überholte B-52
und stellt sie dem für selbstreplizierende Waffen
zuständigen Ständigen Ausschuss der Vereinten Nationen
zur Verfügung. (Später findet CNN heraus, dass einer der
zuletzt eingestellten Piloten, der sich – ausgestattet mit
dem Körper eines Zwanzigjährigen – aufgrund
mangelnder Altersvorsorge erneut dienstverpflichtet hat, die
Maschinen schon früher geflogen hat, bei Einsätzen
über Laos und Kambodscha.) Diese Nachricht stellt eine andere
der Weltgesundheitsorganisation in den Schatten: WHO
verkündet das Ende der HIV-Pandemie – nach mehr als
fünfzig Jahren der Bigotterie, Panik und ungezählten
Todesfällen.
     

     
    »Atme regelmäßig. Erinnerst du dich an das
Training in Selbstkontrolle? Wenn du merkst, dass sich dein
Herzschlag beschleunigt oder dein Mund trocken wird, zähle bis
fünf.«
    »Halt die Klappe, Neko, verdammt noch mal. Ich versuche mich
zu konzentrieren.« Amber fummelt mit dem D-Ring aus Titan herum
und versucht, den Gurt hindurchzuwinden. Die Schutzhandschuhe
behindern sie dabei. Die Raumanzüge für hohe Umlaufbahnen
– nicht viel mehr als Bodystockings, die so beschaffen sind,
dass sie die Haut unter Druck halten und die Atmung erleichtern
– sind normalerweise leicht zu handhaben; aber da sie sich so
tief innerhalb des Strahlengürtels von Jupiter befindet, muss
sie einen alten Orlan-DM-Schutzanzug tragen, der etwa dreizehn
Schichten umfasst. Die Handschuhe sind so steif, dass man damit
Probleme beim Arbeiten hat. Da draußen herrscht
Tschernobyl-Wetter: Graupelschauer aus Alpha-Teilchen und nackten
Protonen fegen durch das Vakuum, deshalb hat Amber diesen
zusätzlichen Schutz wirklich nötig. »Ich
hab’s.« Sie zieht den Gurt fest, legt den D-Ring an und
befasst sich mit dem nächsten Gurt. Dabei vermeidet sie es, nach
unten zu blicken, denn die Wand, an der sie sich festgurtet, geht
nicht in einen Fußboden, sondern nur in eine kleine Plattform
über, die sich zwei Meter unter ihr befindet. Und jenseits davon
erstreckt sich nichts als leerer Raum; der am nächsten gelegene
feste Grund und Boden ist hundert Kilometer entfernt.
    Dieser Boden singt ihr schwachsinnige

Weitere Kostenlose Bücher